Spreadshirt

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Titel des Objekts: aktuell: sprd.net AG (Spreadshirt)

Adresse: 04229 Leipzig, Gießerstr. 27 (zugehörig: Naumburger Str. 33), Naumburger Str. 31 und 29

Stadtteil: 04229, Leipzig, OT Plagwitz, Gemarkung Kleinzschocher, Flurstück 326/l (Brand-Kat. 100; Gießerstr. 27/zugleich Naumburger Str. 33), 326m (Brand-Kat. 99; Naumburger Str. 31), 410 (Brand-Kat. 98; Naumburger Str. 29)

Nutzungsgeschichte/Branchen

  • Fa. Reinhold Wünschmann (Maschinenbau) u. Schumann‘s Elektrizitätswerk (Elektrotechnische Apparate)
  • Unruh & Liebig (Transportanlagen)

dann in wechselnden Bezeichnungen: 

  • SAG Podjomnik (1.8.1946), 
  • SAG Transmasch (1.1.1950) und 
  • SAG S.M. Kirow (1.1.1952) (auch: Kirow-Werk),
  • VEB Schwermaschinenbau S. M. Kirow (1.1.1954), 
  • dann: im Kombinat TAKRAF 
  • sprd.net AG (Spreadshirt, E-Commerce-Plattform für den On-Demand-Druck von Kleidung und Accessoires)

Denkmalstatus: kein Eintrag in Denkmalliste und -karte des Sächsischen Landesamtes für Denkmalpflege Dresden

Objektgröße: nach Grundbuch-Abdruck vom 15.01.2020, Bauzeichnungen und Lageplänen ca. 4000 m2 (Fabrikgelände 1897ff.) – ca. 8330m2 (Erweiterung 1950er Jahre)

Objektbeschreibung:

Überblick: Das Areal entlang der Gießerstr. zwischen Markranstädter- und Naumburger Str. war als Besitz der Leipziger Westend-Baugesellschaft, wie eine Karte in ‚Leipzig und seine Bauten‘ zeigt, 1890 unbebaut. In den folgenden Jahren setzte hier eine intensive Bautätigkeit und Unternehmensansiedlung ein: Auf Stadtplänen von 1903 und 1905 ist das gesamte Viertel als bereits bebaut angegeben; auch die Wohnbauten Gießerstr. 25 und Naumburger Str. 30, 32 sind in dieser Zeit errichtet worden. Auf dem durch die Firma Reinhold Wünschmann (Herstellung von Kerzengussmaschinen) erworbenen, offenbar unbebauten Grundstück Gießerstr. 27 errichtete diese nach der Bauakte 1897 gemeinsam mit dem personell zugehörigen Schumann‘s Electrizitätswerk eine Fabrik. 

Die Firma Reinhold Wünschmann (Herstellung von Kerzengussmaschinen) erwarb das offenbar unbebaute Grundstück Gießerstr. 27. Der Bauakte zu entnehmen errichtete die Fa. Wünschmann gemeinsam mit der personell zugehörigen Firma Schumann´s Electrizitätswerk eine Fabrik.

Letztere handelte mit elektrischen Anlagen wie Motoren und besorgte die Elektrifizierung von Nebenbetrieben wie C.F. Weithas Nachf. (durch Ausstattung mit entsprechenden Anlagen, nach Buhl auch durch Stromlieferung). Zur Fabrik gehörte auch eine Dampfkesselanlage zur Erzeugung von Energie und Dampf zum Maschinenantrieb, die nach Anschluss an die Versorgung mit elektrischem Strom (ca. 1916) zumindest zu Heizzwecken weiterbetrieben wurde. 

Zudem hatte die Fabrik wie ihr Nachbarunternehmen C.F. Weithas Nachf. Zugang zum Industriegleis P XII. Die Grundstücke Naumburger Str. 31 und 29 gelangten als Reserven für Betriebserweiterungen in den Besitz der Firma und wurden offenbar (wohl teilweise und zeitweilig) an verschiedene Unternehmen vermietet: An die AG Beton und Monierbau (Naumburger Str. 31) oder die 1891 gegründete Leipziger Zweigniederlassung des Berliner Unternehmens (Julius) Freudenstein & Co. (ab 1899 als Stahlbahnwerke Freudenstein & Co. AG, Fabriken für Feld-, Forst- und Industriebahnen), die um und nach 1900 an der Naumburger- 29 zumindest zeitweilig ein Lager unterhielt. Das (bebaute) Firmengelände ging 1917 als Werk II in den Besitz von Unruh & Liebig über (Stammwerk Naumburger Str. 28 an der gegenüberliegenden Straßenseite). In dessen Auftrag wurden verschiedene bauliche Veränderung und Neubauten vorgenommen; dazu gehörten in den 1940er Jahren auch die Errichtung zweier Arbeitslager.

Werk I und II wurden seit den 1950er Jahren dem Betriebsgelände des Nachfolgebetriebes, dem SAG Transmasch (vorm. Unruh & Liebig / Kirow-Werk)  inkorporiert, zusammen mit Nachbargrundstücken in der Naumburger Str. (Nr. 27: Fa. Hammer, Nr. 25: Fa. Törpsch als Werk V) und Markranstädter Str. 8 (und Gießerstr. 29: Fa. C.F. Weithas Nachf. als Pachtbetrieb Werk IV) sowie Markranstädter Str. 4/6 (Fa. Max Billhardt bzw. Fa. Eberspächer). In dieser dritten Nutzungsperiode erfolgten umfangreiche Um- und Neubauten. Die doppelte Sperrung der Naumburger Str. bedeutete die Umwandlung einer öffentlichen Verkehrsfläche in Betriebsgelände (Werksstraße).

Die gegenwärtige vierte Industriebelegung des Grundstücks Gießerstr. 27 erfolgte durch Spreadshirt, ein 2002 gegründetes, 2006 von einer GmbH (2003) in eine AG überführtes Unternehmen, das gegenwärtig nach eigenen Auskünften ca. 900 Mitarbeiter an fünf Produktionsstandorten beschäftigt. Die Fa. nutzt das Grundstück im Besitz der Plagwitzer Immobiliengesellschaft/CG-Gruppe als Mieter. In diesem Zusammenhang erfolgten 2008 Umbau und Erweiterung des Bautenensembles Gießer-/Naumburger Str. durch das Architekturbüro Homuth + Partner, das dafür 2011 mit dem Architekturpreis der Stadt Leipzig geehrt wurde.

Die in den Spreadshirt-Neubau integrierte Fassade des ersten Industriebaus an der Gießerstr. ist im wesentlichen erhalten geblieben. Aus der Bebauungsphase der 1950er Jahre stammen Teile der Fassade in der Naumburger Str., die Stützen des Eisenlagers in der Ostwand des Spreadshirt-Gebäudes und auf dem Grundstück Naumburger Str. 29 der unmittelbar benachbarte Hallenbau (aktuell zumindest z.T. von der Fa. obeta electro genutzt; am größeren rückwärtigen Teil der Halle sind gegenwärtig Bauarbeiten im Gange; vermutlich ist eine neue Nutzung vorgesehen).

Unternehmensgeschichte: Reinhold Wünschmann / Schumann‘s Elektrizitätswerk und Nachfolgeunternehmen: Die Geschichte des Unternehmens lässt sich in Grundzügen anhand von Unterlagen im Staatsarchiv unter Zuhilfenahme von Adressbüchern rekonstruieren.

Heinrich Reinhard Friedrich Wilhelm Oscar Schumann (gest. 1897) war ein sehr aktiver Unternehmer, zu dessen Gründungen u.a. das spätere Industriearmaturenwerk Schumann & Köppe gehörte. Sein Unternehmen Schumann‘s Electricitätswerk (der erläuternde Nebentitel variierte, im folgenden: SE), hervorgegangen aus Schumann‘s Mechanischer Werkstätte zur Einrichtung elektrischer Beleuchtung, handelte anfangs mit Stromerzeugern besonders französischer Bauart (Gramme, Paris) und war mit der Ausführung von elektrischen Licht- und Kraftanlagen befasst. Später wurde eine eigene Produktion aufgebaut, zu der auch eine Bogenlampenherstellung gehörte, die später an Körting & Matthiesen verkauft wurde. Beide hatten, bevor sie sich mit eigener Firmengründung selbständig machten, in Schumann‘s Werkstätte gearbeitet. Das Unternehmen besaß offenbar einige Bedeutung auf diesem jungen elektrizitätsindustriellen Gebiet. 

1897 zählte es 70 Beschäftigte, 1903 ca. 90. Im Jahr 1892 hatte es den Ehrenpreis der Stadt Leipzig und auf der Antwerpener Weltausstellung 1894 eine Goldmedaille erhalten. Auf der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung in Leipzig von 1897 war SE (nach eigener Angabe bereits 1885 gegründet) in einem Ausstellungspavillon mit vertreten. Das Unternehmen verwendete in seiner Geschäftspost zumindest vier verschiedene Briefköpfe, u.a. mit einer Werksansicht.

Schumann‘s Elektricitätswerk ist am 2. August 1893 im Handelsregister eingetragen worden und wurde als Kommanditgesellschaft betrieben. Es war nach Adressbüchern zunächst in der Mittelstr. 7 (Hans-Poeche-Str.) ansässig. Nachdem Friedrich Wilhelm Oscar Schumann 1897 verstorben war, wurde August Wilhelm Oscar Schumann (vermutlich ein Nachkomme) in diesem Jahr Mitinhaber und Kommanditist, schied aber bereits 1902 wieder aus der Fa. aus. Damit war kein Mitglied der Familie Schumann mehr an dem Unternehmen beteiligt. Dieses bestand jedoch fort. Bereits 1896 wurden der Ingenieur Ewald Gotthold Egbert Wünschmann, Besitzer der Lichtgiessmaschinenfabrik Reinhold Wünschmann (Elisenstr. 12 ansässig, heute B.-Göring-Str., 1864 als Rüdig & Wünschmann gegründet) und Julius Eduard Franz Graff Mitinhaber (zudem ab 1891 Mitinhaber der Fa. R. Wünschmann). Die Fa. R. Wünschmann war seitdem, wie ein Briefkopf (Geschäftsschreiben vom 11.01.1908) ausweist ‚Schwesterfirma‘ von SE, welche im amtlichen Schriftverkehr stets mitzeichnete und 1897 Mitbauherrin für das gemeinsame Fabrikgebäude gewesen ist. Daher finden sich auch für die Jahre zuvor beide Firmen an denselben Orten verzeichnet: Gießerstr. 19 (ab 1907 Nr. 27) und Braustr. 19 (= Naumburger Str.; diese Angabe lässt sich nicht verifizieren). Beide Firmen hatten bis 1919 eine gemeinsame Betriebsleitung und prokuristische Vertretung. In der Naumburger Str. 31 und 29 bestanden ab 1905 zeitweilig Lagerflächen, die auch verpachtet wurden.

Vermutlich produzierte die beide Unternehmen umfassende Fa. in der Gießerstr. 27 unter dem Namen Wünschmann Kerzengießmaschinen und unter dem Namen Schumann elektrische Anlagen (vgl. den Bauantrag 1897, s. unten). Werbeanzeigen im Leipziger Adressbuch von 1903, 1905 und 1909 kennzeichnen SE in erster Linie als produzierendes Unternehmen, zudem als Installations- und Handelsbetrieb. Ein Bericht zum späteren Konkursverfahren 1932 teilt hingegen mit, dass SE (ausschließlich) als Handelsgesellschaft fungierte. Auf jeden Fall wurde in der mit einer Dampfkesselanlage und angeschlossenem Maschinenhaus (sowie ‚Accumulatorenraum‘) ausgestatteten Fabrik auch produziert. In Bauzeichnungen sind die verschiedenen Betriebsräume näher bezeichnet: Während ‚Schmiede‘, ‚Werkzeugschlosserei‘, ‚Spähnelager‘, ‚-gußlager‘ nur allgemein auf eine Maschinenfabrik, ‚Kranhalle‘ auf den Transport schwerer Objekte hinweisen, ‚Magazin‘, ‚Packraum‘ u. ‚Kistenlager‘ auf produktionsnotwendige Lagerhaltung und Versand signalisieren, gestattet die Angabe ‚Zinnschmelzerei‘ keine Entscheidung darüber, ob elektrotechnischer Anlagen oder Kerzengussmaschinen hergestellt wurden, denn zur Herstellung beider Produkte fand Zinn Verwendung, in großen Ausmaß bei letzteren. ‚Prüffeldraum‘ hingegen assoziiert eher elektrotechnische Objekte. Auch ist die Fabrik kein auf die die funktionellen Zusammenhänge spezifischer Produktionsvorgänge hin entworfener Industriebau.

Nach dem Tod von Reinhold Wünschmann wurde dessen Witwe Henriette Victorie 1897 kurzzeitig Mitinhaberin, dann bis zu ihrem Ausscheiden 1918 Kommanditistin. 1914 trat der Ingenieur Amy Richard Wilhelm Felix dem Unternehmen als offener Gesellschafter (Komplementär) bei (Egbert Wünschmann wurde Kommanditist), zudem war er kurzzeitig Mitinhaber der Fa. Wünschmann. Für die 1917, 1918 und 1919 ausgeschiedenen Gesellschafter Egbert Wünschmann, Victorie Wünschmann und Franz Graff traten 1919 der Ingenieur Max Lange (offener Gesellschafter) und der Kaufmann Ewald Schlundt (Kommanditist) dem Unternehmen bei, das nun also von Felix und Lange geleitet wurde. Damit scheinen sich auch die Wege der beiden Unternehmen Wünschmann und Schumann zu trennen. Nachdem das Firmengelände in der Gießerstr. 27 / Naumburger Str. 33, 31 und 29 bereits Ende 1916 in Besitz der Peniger Maschinenfabrik und Eisengießerei, Aktiengesellschaft in Penig, d.h. Unruh & Liebig (Werk I: Naumburger Str. 28) übergegangen war (und seitdem als ‚Werk II‘ dieses bisherigen Nachbarunternehmens fungierte), wurde 1919 die serielle Produktion von Motoren nach Saalfeld verlagert und dort als Schumann´s Electricitätswerk Werk Saalfeld mit ca. 120 Arbeitern und 20 Angestellten in gemieteten Räumen betrieben. Die beiden Unternehmen in Saalfeld (Geschäftsführer: Felix, Lange) und Leipzig (Geschäftsführer: Schlundt, 1919-1925 OHG) waren handelsgerichtlich getrennt, mit denselben Inhabern (Felix, Lange) eingetragen. In Leipzig verblieb der Warenvertrieb Saalfelder Motoren, später auch anderer Hersteller mit ca. 10 Angestellten. Angemietete Geschäftsräume befanden sich nach Adressbüchern von 1910-1932 in der Kleinen Fleischergasse 8 bzw. Hainstr. 5 (Kleine Joachimstalpassage), zudem besaß die Fa. in den 1920er Jahren einen Messestand bei dem 1921 gegründeten Haus der Elektrotechnik e.V., in dessen Ausstellungsgebäude auf der Technischen Messe (Halle 10, errichtet 1923).

Im neuen Werksteil von Unruh & Liebig wurde im 1. Weltkrieg die Produktion von Rüstungsgütern (Granaten) betrieben, erneut im 2. Weltkrieg (Munitionsaufzüge). Unruh & Liebig verpachtete ca. 1936/37 Teile des Werkes II an die Leipziger Werkzeug- und Gerätefabrik GmbH, die dort eine mit Acetylen betriebene Schweißanlage (Azetylen-Entwickler der Fa. Messer & Co., Berlin) sowie einen ‚Vulkan-Lufthammer‘(einer Fa. aus Berlin-Neukölln) mit einem Bärgewicht von 125 kg errichten ließ.

Das Schicksal des erwähnten Saalfelder Unternehmens ist nicht klar: 1925 liquidiert, jedoch noch 1938 ebd. Bernhardstr. 14 nachweisbar. Kaum besser erging es dem Leipziger Unternehmen. Konnte es sich noch von den Folgen der Inflation erholen, bedeutete die Weltwirtschaftskrise den Niedergang in den Konkurs ab 1932. Zahlungen an Schlundt aus dem Firmenvermögen beschleunigten diesen Vorgang. Felix, Lange und Schlundt schieden 1933 als Gesellschafter aus. Die Fa. wurde an den Kaufmann Gustav Eduard Johannes Meschke verkauft, der zu einem der Inhaber in einem Verwandtschaftsverhältnis gestanden hatte sowie seit 1909 Prokurist und seit 1926 Geschäftsführer der Fa. gewesen war. Das Konkursverfahren wurde 1936 mangels Masse eingestellt. Meschke betrieb das Unternehmen, mehr schlecht als recht, unter dem angestammten Namen bis zu seinem Tod am 10.12.1943 als Angestellter eines anderen Unternehmens (Fa. Panier, Leihhaus, Nordstr. 58) von seiner Wohnung aus. 1946 erfolgte die Löschung der Fa.

Nach Verkauf der Fabrik an Unruh & Liebig führte F. Graff nach Ausscheiden Ewald Gotthold Egbert und Henriette Wünschmanns die Fa. Wünschmann in Lindenau, Josephstr. 31 fort. Mit dem Tod Graffs 1925 übernahm der 1919 der Fa. beigetretene Curt Gustav Beilicke als Alleininhaber im April 1926 die Unternehmensleitung (Kommanditgesellschaft), die wiederum nach dessen Tod 1959 an dessen Ehefrau Ella Hildegard Beilicke (geb. Graff) überging (1967 neu verheiratet als Ella Reichelt).

1948 zählte das ‚stark in den Export eingeschaltete‘ Unternehmen 10 Beschäftigte, davon 8 Arbeiter (1946 7-8 Beschäftigte, davon 6-7 Arbeiter). Firmenunterlagen illustrieren die Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung, insbesondere von Zinn zur Herstellung von stearinbeständigen Gussformen. Bereits 1960 erfolgte eine staatliche Unternehmensbeteiligung durch den VEB (K) Feineisenbau Leipzig (infolge Kombinatsbildung ab 1970 VEB Kombinat Orsta-Hydraulik). 1966 schied E.H. Beilicke aus der Geschäftsführung aus. 1972 wurde der Betrieb an den VEB Akkumulatorenbau Markkleeberg (Orsta-Hydraulik) verkauft, der nach Liquidation des Unternehmens 1973 Rechtsnachfolger des Firmengrundstücks wurde. Die Liquidation erfolgte, obwohl der Wirtschaftsrat noch 1971 die Produktion von Kerzengießmaschinen durch die Fa. Wünschmann als Alleinhersteller für volkswirtschaftlich wichtig und ‚unbedingt zu erhalten‘ erklärt hatte.

Nach 1945 wurden die Betriebsteile von Unruh & Liebig in die SAG Transmasch überführt, der am 01.12.1952 der Name S.M. Kirow verliehen wurde (seitdem auch Kirow-Werk), die SAG ging erst 1954 in das Eigentum der DDR über. Der Betrieb wurde dem VVB Ausrüstung für Bergbau und Schwerindustrie (ABUS), dann dem VVB TAKRAF angegliedert. Spätestens durch die letzte Angliederung wurde das Unternehmen zum Großbetrieb aus 26 Einzelbetrieben mit 40.000 Beschäftigten und der Forschungseinrichtung Institut für Fördertechnik Leipzig. 1979 fusionierten der VVB TAKRAF mit dem VEB Transportanlagenbau Leipzig zum VEB Schwermaschinenbaukombinat TAKRAF. In Plagwitz wurden dem Kirow-Werk ab ca. 1950 neben Werk I und II der ehemaligen Fa. Unruh & Liebig verschiedene Nachbarbetriebe als Werke III (bisher nicht identifiziert), IV und V inkorporiert. Damit gehörte das gesamte Areal zwischen Zschocherscher- und Gießer-, Naumburger- und Markranstädter Str. mit Ausnahme der ehemaligen Fabrik Swiderski zu diesem Großbetrieb, weiter die Produktionsstandorte von Grohmann & Frosch in Plagwitz und Lindenau. Der Expansion eines derart großen (Stamm-)Werkes waren in Plagwitz Grenzen gesetzt, weshalb bereits 1948 die Einrichtung eines neues Betriebsgeländes in Böhlitz-Ehrenberg erfolgte; der Plagwitzer Standort blieb prekär.

Das Kirow-Werk, heute Kirow-Ardelt GmbH, gehört zu den wenigen DDR-Betrieben, die die politische Wende 1989/90 und die Treuhand überstehen konnten. Die Nutzungsgeschichte des ehemaligen Betriebsgeländes an der Naumburger Str. nach 1989 müsste noch eruiert werden; 2008 erfolgte ein Umbau der Werksanlagen für das Unternehmen Spreadshirt.

Baugeschichte (s. Planskizzen): Die Bauakte beginnt mit dem Antrag der Unternehmen Reinhold Wünschmann und Schumann‘s Elektricitätswerk vom 03.04.1897 zur Errichtung eines Fabrikneubaus an der Ecke Gießer- u. Naumburger Str., in den die in der Elisenstr. 12 (Bernhard-Göring-Str.) und Mittelstr. 7 (Hans-Poeche-Str.) bestehende ‚Maschinen- resp. elektrotechnische Fabrik zur Fabrikation von Kerzengussmaschinen bzw. elektrischen Maschinen‘ verlagert werden sollte. Der durch das Leipziger Architekturbüro Händel & Franke (mit mehreren Tekturen) projektierte und statisch berechnete, durch das Baugeschäft F.P. Bastänier & George ausgeführte Neubau ist zum 01.10.1897 fertiggestellt worden; J.S. Buhl hat ihn in ihrer Studie zu Plagwitzer Industriearchitektur nicht behandelt. Er bestand aus einem zweigeschossigen Gebäude an der Gießerstr. für technische Abteilung und Verwaltung auf der linken Seite und Garderobe und Essräumen auf der rechten Seite des Gebäudezugangs. Des Weiteren aus einem hinter Verwaltung und technischem Büro und an der Naumburger Str. liegenden durchgehend eingeschossigem ‚Arbeitssaal mit Shedoberlicht’ auf stählernem Tragwerk und Kranhalle mit durchgehendem Oberlicht (in der Bauakte als Sheddach bezeichnet; integriert war ein Packraum genanntes Areal) in Nord-Süd-Ausrichtung als sein östlicher Abschluss.

Nur die beiden Gebäudeecken an der Naumburger Str. sind als zweigeschossige Hochbauten hervorgehoben. Die Fassade an der Gießerstr. war hinsichtlich der Wandöffnungen 16-achsig (Gebäudezugang zweiachsig), die der Naumburger Str. neun-achsig, die abgeschrägte Gebäudeecke einachsig. An diesen Arbeitssaal anschließend: im Osten Maschinen-, und Kesselhaus mit ‚Acumulatorenraum‘ sowie sanitäre Einrichtungen, als südliche Raumflucht verschiedene Lager sowie eine Schmiede. Im Arbeitssaal war ein gesonderter Bereich als Magazin ausgewiesen (Arbeitssaal ohne Magazin ca. 32 m in Ost-West- und 44,26 m in Nord-Süd-Richtung), dem sich östlich Zinnschmelzerei und Werkzeugschlosserei anschlossen. Diese innere Disposition hat im Laufe der Zeit, bald nach 1900 einsetzend, mehrfach Veränderungen erfahren. Das nach und nach mit verschiedenen Schuppen (zudem einem zeitweiligen Kontorgebäude) bebaute Hofgelände östlich des Arbeitssaales erstreckte sich in der Naumburger Str. nach Osten bis einschließlich  in Höhe des Wohnhauses Nr. 30, in der Gießerstr. bis zum Industriegleis und der Nachbarfabrik C.F. Weithas Nachf.

Zumindest die Fassade der Gießerstr. ist als unverputzter Ziegelbau im wesentlichen erhalten geblieben; die Abschrägung der Gebäudeecke ist bereits 1897 geplant und ausgeführt worden. Die Fassade ist, zwischen Werksteinsockel und Dachgesims mit Attika darüber, vertikal durch flache durchgehende Wandvorlagen zwischen den Fenstern bzw. Fensterpaaren gegliedert, die sich in der Attika fortsetzen. Eine ähnliche Gestaltung zeigt die Fabrik Grohmann & Frosch (heute Kirow-Ardelt GmbH) in der Gießerstr. Die Attika verleiht dem Bauwerk einen klaren, markanten oberen Abschluss und verdeckt die dahinterliegenden Dachbauten.

Die beiden Gebäudetrakte nördlich und südlich des Zugangsbereiches unterscheiden sich vor allem in ihren Fensterformen: Während auf der Nordseite Segmentbogenfenster mit geradem Sturz im Erdgeschoss und rechteckige Fenster im Obergeschoss Verwendung fanden, sind auf der Südseite kleinere, paarweise angeordnete Segmentbogenfenster verwendet worden. Der ehemalige Zugang an der Gießerstr. ist heute ablesbar an dem Fassadenabschnitt, in dem unten der zum ursprünglichen Bauwerk gehörende niedrige Werksteinsockel unterbrochen ist. Die Bauzeichnung sah einen hinter die Gebäudeflucht zurückspringenden Abschnitt in zweiachsiger Gliederung aus Tür mit Fensterpaar darüber in der südlichen, zwei übereinander angeordneten Fenster in der nördlichen Achse vor, dessen oberes mit einem an dieser Stelle nicht überzeugenden (und in einer Tektur gestrichenem) Balkon versehen werden sollte, während am unteren eine Treppe zu einem seitlichen Eingang angedeutet ist. Alle Wandöffnungen haben Segmentbögen.

Dieser Hofraum ist zur Gießerstr. hin wohl durch eine Einfriedung geschlossen worden. Diese Situation blieb offenbar bis zu einem Umbau 1949/50 erhalten. Der nicht erhalten gebliebene südliche Gebäudeabschluss sollte lt. Bauzeichnung aus einer Mauer mit angeschlossenem zweiflügeligen schmiedeeisernen Tor bestehen (die heutige Gestalt war spätestens Ende der 1930er Jahre vorgeformt). Die Grundstücksgrenze bildete das Industriebahngleis P XII, das sich das Unternehmen mit der benachbarten Fa. C.F. Weithas Nachf. teilte.

Ein Briefkopf (Geschäftsschreiben vom 11.01.1908) zeigt das gesamte bebaute Areal aus der Vogelperspektive und spiegelt die gebaute Realität offenbar recht genau wieder; die Existenz des benachbarten Unternehmens C.F. Weithas Nachf. ist darauf jedoch ganz unterschlagen worden.

In den Folgejahren sind lediglich kleinere Anbauten unter Einbeziehung hinzuerworbenen Areals vor allem östlich des Kesselhauses errichtet worden: Trocken- und Polierraum (1906), Gusslager- und andere Schuppen (1908), Erweiterung eines Prüffeldraumes (1911) durch das Bauunternehmen Walter Schneider. 1916 erfolgte ein Antrag auf Versorgung des Betriebes mit elektrischem Strom durch die Leipziger Elektricitaetswerke.

Zur Ausstattung des Fabrikneubaus gehörte die Errichtung einer Dampfkesselanlage und einer im Querschnitt runden ‚Schornsteinsäule‘ von 33,50 m Höhe. Beides wurde ebenfalls durch das Büro Händel & Franke im Juni 1897 projektiert; als Bauherr sind beide Firmen oder nur SE angegeben. Die Dampfkesselanlage bestand aus einem Zweiflammrohrkessel der Fa. Moritz Jahr, Gera (Reuß) mit der lfd. Nr. 552 (Baujahr 1897; Heizfläche 75 m2, max. Dampfspannung: 8 at Überdruck). Die Genehmigung für Errichtung und Betrieb der Dampfkesselanlage wurde nach Prüfungen durch die zuständige Kgl. Gewerbeinspection Leipzig am 26.08.1897 erteilt, am 03.11.1897 erfolgte die Abnahme der installierten Kesselanlage u.a. zur Heizung mit Dampf. Zuvor, am 11.10.1897, setzte SE Baupolizeiamt und Gewerbeinspection über die ‚interimistische‘ Aufstellung und Betrieb einer ‚10-pferdigen‘ Lokomobile in Kenntnis, da deren ‚eigentliche Betriebsstation noch nicht fertiggestellt sei‘.

Die Errichtung einer ‚Blitzableitung‘ erfolgte durch die Leipziger Fa. Otto Ehrling (baupolizeiliche Abnahme am 12.10.1898). Die bestehende Dampfkesselanlage erwies sich nach wenigen Jahren als unzureichend, weshalb SE am 14.05.1906 die Absicht zur Aufstellung eines zusätzlichen weiteren Dampfkessels mitteilte. Und zwar eines Zweiflammroh-Doppelkessels der ‚Sächs. Maschinenfabrik vorm. Hartmann AG, Chemnitz‘ (lfd. Nr. 4250, Baujahr 1906) von nun 120 m2 Heizfläche und 12 at Überdruck (Verfeuerung sächsischer Braunkohle, mit angeschlossenem ‚Völker’s Halbgasfeuerung mit Schür- und Reguliergungsapparat D.R.B.‘), zur Versorgung der 160-PS-Betriebsdampfmaschine. Die Errichtung erfolgte zügig, so dass am 20.06.1906 die Abnahmeprüfung erfolgen konnte. Jährliche Prüfungen beider Kesselanlagen (in der Bauakte bis 1930 verzeichnet) erfolgten durch die Kgl. Gewerbe-Inspection; in der Bauakte zeichnet der Sächs. Dampfkessel-Überwachungsverein in dieser Funktion ab 1913, später das Gewerbe-Aufsichtsamt Leipzig II. 1937 ist eine Verlängerung der Betriebserlaubnis für die größere Kesselanlage (Nr. 4250) bis zum 31.12.1941 erteilt worden, die aber wohl 1939 stillgelegt wurde (der alte Kessel, Nr. 552, war wohl bereits 1937 nicht mehr in Betrieb). 

1920 beantragte der neue Eigentümer der Fabrik, Unruh & Liebig, den Einbau zweier Dampf-Speisepumpen der Fa. Weise & Monski (Modelle Nr. 508 und 509) zur Versorgung der beiden Dampfkessel, die Inbetriebnahme erfolgte am 31.03.1921. 1923 wird in den größeren Kessel eine Dampfüberhitzungsanlage durch die Fa. F.L. Oschatz, Maschinen- und Dampfkesselfabrik Meerane und durch die Fa. Weinhold & Hiller (Leipzig-Leutzsch) eine Muldenrostfeuerung (‚System Weinhold‘) eingebaut. In diesem Zusammenhang erfolgt im selben Jahr auch der Umbau der Kohlebühne vor der Feuerung und schließlich 1930 noch die Errichtung einer Elekrohängebahn zur Beschickung der Kesselfeuerung über einen Kohlebunker (s. unten).

Unruh & Liebig ließ 1920 durch das für die Fa. bereits früher tätige Ingenieurbüro Paul Ranft auf dem ehemaligen Gelände des Unternehmens Reinhold Wünschmann / SE (Gießerstr. 27/Naumburger Str. 33, nördlich des Kesselhauses) eine massive Werkzeugschlosserei (ausgestattet mit Elektromotoren; städtische Stromlieferung) mit über einer Eisenbetondecke liegendem Essraum für die Werksarbeiter projektieren und durch das Bauunternehmen G. Brömme (Baugeschäft u. Eisenbetonbau Leipzig-Chemnitz) ausführen. Das Gelände Naumburger Str. 31 u. 29 wurde, wie ein Situationsplan von 1929 zeigt, als Lagerplatz benutzt. 1929/1930 erfolgte durch die Fa. selbst die Errichtung einer Elektrohängebahn mit Greiferbetrieb zur Entladung der auf dem Privatgleis P XII ankommenden Kohle-Waggons und Verbringung der Kohle in den Kohlebunker des Kesselhauses bzw. auf den Kohlelagerplatz. Die Bahn sollte auch dem Transport von Drehspänen dienen.

1936 sind wie bereits erwähnt eine Anlage zum autogenen Schweißen mit Acetylen-Entwickler sowie ein Vulkan-Lufthammer mit einem Bärgewicht von 125 kg errichtet worden. 1937 und 1938 erfolgten diverse Schuppen(um)bauten auf Gelände Naumburger Str. 31 durch das Bauunternehmen Oswald Ebert, u.a. für Fahrräder. 1939 hat das Bauunternehmen Fritz Künicke das jetzt stillgelegte Kesselhaus zu einer Werkstatt umgebaut und mit einem Luftschutzraum für 190 Personen ausgestattet. Eine Übersichtszeichnung aus diesem Jahr zeigt, dass die Montagehalle gegenüber ursprünglichen Arbeitssaal vergrößert und die westlich und südlich angrenzenden Räume verkleinert und funktionell neu organisiert worden waren, ohne dass dafür Umbaupläne überliefert zu sein scheinen.

Im gleichen Jahr errichtete diese Firma zudem eine Transformatorenstation mit einer Dampfverteilungsanlage (Speisung durch Werk I) an der Naumburger Str., an der weiterhin 1940/41 eine das Werksgelände abschließende, baufällig gewordene Einfriedung durch eine Mauer ersetzt wurde, die ein wohl bereits früher errichtetes Pförtnerhaus einband. Künicke war nochmals 1942/43 für Unruh & Liebig mit dem Einbau von zwei Lagern für ‚ausländische Zivilarbeiter‘, wie es im Bauantrag euphemistisch hieß, und der Anlage eines Splitterschutzgrabens für diese Arbeiter tätig (ein weiteres Lager wurde im Werk I betrieben).

Ein Fliegerangriff am 20.02.1944 hatte offenbar größere Schäden zur Folge (das Ausmaß ist unklar und es muss offenbleiben, ob nur ein Werkteil oder beide betroffen waren), weshalb das Unternehmen den Architekten Fritz Eberlein, Burgstädt/Sa. im Rahmen von Sofortmaßnahmen mit Wiederaufbauarbeiten beauftragte, die im Oktober dieses Jahres noch im Gange oder noch gar nicht begonnen worden waren.

1949/50 wurde nach Plänen des Architekturbüros Rudolf Hager für Unruh & Liebig, Staatl. AG für Maschinenbau ‚Podjomnik‘‘ die Werksküche im Gebäudetrakt an der Gießerstr. (1. OG) umgebaut. Dabei erhielt der ehemalige Eingangsbereich eine neue Fassade (das OG erhielt drei Fenster), die statt des ursprünglichen Rücksprungs nun in der Gebäudeflucht angelegt wurde (Eingangssituation im EG blieb offenbar eine zeitlang erhalten). Dasselbe Büro projektierte 1953 auch die Errichtung eine Gebäudebrücke, die den Arbeitern des nun neu zum Betriebsgelände zählenden Werkes IV (Weithas-Halle) als Zugang zur Garderobe in Werk II dienen sollte.

Diese kleineren Veränderungen sind Teil eines umfassenden Um- und Neubauprogramms; das wurde erst infolge der amtsseitigen Neuordnung der Bauakte (zwischen Februar und August 2020) deutlich. Ziel der Neuanlage war die maximale Flächenausnutzung von Werk II des unter Angliederung zahlreicher Nachbarunternehmen wachsenden Kirow-Werkes in einem Neubau, der aber der ‚Kapazität‘ des Betriebs gar nicht angemessen war. Im einzelnen lässt sich der gesamte Planungsprozess wohl kaum noch in wünschenswerter Klarheit rekonstruieren. Zudem sind die Lichtpausen der Bauzeichnungen im Bauaktenarchiv im Laufe der Jahre stark verblichen und teilweise kaum noch nachzuvollziehen. Der Neubau wurde trotz der Rüge unzureichender ‚Planvorbereitung‘ und sicherheitstechnischer Einwände (Fluchtwege, Licht und Belüftung, Brandschutz) gegen die ‚Übersteigerung der Überbauung‘ infolge des erteilten ‚Planauftrages‘ schließlich mit verschiedenen Änderungen realisiert. Die gewünschte ‚Bauauflockerung‘ unterblieb aber, und die durch die Betriebsgröße bedingte Überforderung der öffentlichen Verkehrsräume wurde dann noch durch die doppelte Sperrung der Naumburger Str. zugespitzt. Die nähere bauliche Planung der Um- und Neubauten wurde dem Architekten Rudolf Hager übertragen; mit der Bauausführung war u.a. das Bauunternehmen Eduard Steyer beauftragt. Die Bauanträge und Bauzeichnungen sind 1951 angefertigt worden, das Genehmigungsverfahren zog sich bis Ende 1953 hin (Bauantrag und Baubeschreibung konnten bislang in der Bauakte nicht ausfindig gemacht werden).

Eine Erweiterung konnte das Betriebsgelände, d.h. der jetzt als ‚Mechanische Werkstatt‘ bezeichneten ehemaligen Montagehalle, nur auf der Ostseite erfahren (Genehmigung der Mechanischen Werkstatt am 12.12.1953; Unruh & Liebig hatte bereits früher eine ‚mechanische Werkstatt‘ und eine ‚Vorbereitungshalle‘ (s. unten) betrieben; s. Buhl mit falscher Lokalisierung). Zu diesem Zweck wurden bestehende Bauten im Bereich Naumburger Str. 33 sowie das angrenzende, vor allem zu Lagerzwecken genutzte Gelände Naumburger Str. 31, 29 überbaut (alte Toreinfahrten sind mit Pflasterungen im Bereich des Gehweges heute noch sichtbar), eine teilweise noch bestehende ‚Hofkranbahn‘, die in der Bauakte nicht nachweisbar ist [identisch mit Elektrohängebahn?], integriert. Die Stützen in der östlichen Hallenwand (heute in der Ostaußenwand des Spreadshirt-Baus, Naumburger Str. 31, erhalten und sichtbar) fungierten zugleich als Auflager für das neue unmittelbar anschließende ca. 25 m breite Eisenlager, dem sich östlich ein ‚Vorbereitungshalle‘ genannter Bau von ca. 17 m Breite anschließt (beide Hallen genehmigt am 28.02.1953).

Dieser letztgenannte Bau stand zum großen Teil auf einem ursprünglich gepachteten Grundstück, das dann entsprechend angepasst wurde; die Halle ist in der Naumburger Str. 29 erhalten geblieben. Während die auf den Ursprungsbau zurückgehende Westfassade, entgegen ursprünglicher Planung, im wesentlichen unverändert blieb, erfuhr die nördliche einen nach Osten verlängerten, dreigeschossigen Umbau, in dem technische Abteilungen und Verwaltung untergebracht waren. Die heutige Gestalt des Spreadshirt-Baus rekonstruiert hier unter Nutzung originaler Bausubstanz (im ziegelverkleideten EG und den beiden Treppenhausrisaliten gut nachvollziehbar) diesen zeittypischen Bauzustand, stellte hingegen den ursprünglichen Zustand der Westfassade wieder her und damit auch den Bezug auf den Ziegelbau des Nachbarunternehmens C.F. Weithas Nachf.. Die ehemals als Fensterwand ausgebildete Südfassade ist als geschlossene Wandfläche neu geschaffen worden.

Die beiden genannten Hallen ruhten auf Stahlkonstruktionen mit Kranbahnauflagern (gemeinsame Stütze in Längsrichtung) und erstreckten sich über die gesamte Grundstückstiefe in Nord-Süd-Richtung ca. 70 m. Sie waren mit massiven Decken (‚Leipziger Decke‘) versehen, die in der Firstachse mit einem Oberlicht ausgestattet waren (beim Eisenlager auf ca. 48 m Länge). Die Längswände der Vorbereitungshalle waren ausgemauert und mit großen Fenstern ausgestattet (die Westwand aus statischen Gründen mit einer Mauervorlage verstärkt, heute Außenwand). Der Giebel der Vorbereitungshalle wurde zur Erlangung einer einheitlichen Fassade über die Breite des Eisenlagers hinweggezogen, und schloss oben mit einer Attika (mit aufliegender Gesimsplatte) in Firsthöhe des Eisenlagers. Die Wand war ‚in Pfeilersystem‘ ausgemauert, unter Ausbildung eines Bandes großer Fenster zwischen sichtbar belassenen Stahlbetonträgern, darunter befanden sich in flachen Nischen kleinere Fenster, zudem war ein Schiebetor und eine Pforte vorgesehen. Diese Fassadenwand wurde mit ‚ausgesuchten Klinkern‘ (wie an der benachbarten Werkstattfassade) verblendet, mit denen die sichtbar belassenen Stahlbetonträger kontrastierten. Deutlich also das Bemühen um einen qualitätvollen, das bauliche Umfeld berücksichtigenden, bezugnehmenden Industriebau.

Im Zusammenhang mit der gewünschten Betriebserweiterung sah die Bauplanung die doppelte Sperrung der Naumburger Str. durch Errichtung von Einfriedungen und Pförtnerhäuschen (Genehmigung am 28.02.1953) vor: Zum einen in Höhe des Wohnhauses Naumburger Str. 30 (1956 erweitert) und zum anderen in Höhe der Naumburger Str. Nr. 25 (Fotos aus dem Jahre 1953 zeigen in Blickrichtung von der Straßenkreuzung in die Naumburger Str. nur das vordere Pförtnerhaus). Dadurch wurde öffentlicher Verkehrsraum Betriebsgelände zum internen Verkehr zwischen Werk I, II, und V. Mit diesen Bauten wurde auch das alte Pförtnerhaus, das zunächst im Bereich des Eisenlagers erhalten bleiben sollte, nebst Einfriedung überflüssig und wurde zusammen mit Schuppenbauten für den Neubau des Eisenlagers abgerissen. Weitere Um- oder Zubauten sind wohl nicht erfolgt; in den 1960/70er Jahren sind noch ein Bohrwerk sowie Säulendrehkräne errichtet, ferner ist eine Meisterstube mit Werkzeugausgabe in der mechanischen Werkstatt eingebaut worden.

Quellen:

  • Unterlagen im Sächs. Staatsarchiv Leipzig:
  • Schumann‘s Elektrizitätswerk: Handelsregisterakte (Bestand: 20124 Amtsgericht Leipzig, Signatur: HR-Akte1506, zuvor fol.8552), in diesem Bestand der firmengeschichtliche Bericht des Konkursverwalters Arthur Klarner v. 20.7.1932; Konkursverfahren 1932-36 (Signatur: 19316); Schriftverkehr zu Elektrifizierung von Nebenbetrieben der Leipziger Wollkämmerei 1928ff. (Bestand: 20928 Leipziger Wollkämmerei, Sign.: 0886).
  • Stahlbahnwerke Freudenstein & Co. AG: Registerband Nr. 07801-07900 (Bestand: 20124 Amtsgericht Leipzig, Signatur: 21074;), Registerband Nr. 10301-10400 (Bestand: eb., Signatur: 21099).
  • Reinhold Wünschmann: Handelsregisterakte (Bestand 20142, Sign. HRA 406); Unterlagen nach 1945-1973: Bestand 21047, Sign. 1810 u. 2340, Bestand 20242, Sign. 2545.
  • Amt für Bauordnung und Denkmalpflege der Stadt Leipzig, Bauaktenarchiv, Bauakten Gießerstr. 27 (Brandkataster-Nr. 100B, Flurstück 326l bzw. 326/5), Bd. I-VIII, 1897-1990 (II: Dampfkesselanlage, 1897-1937), VIII-X Umbau für Spreadshirt 2007-2008, X,1-11 Statik (2007-2008).
  • Adressbücher der Stadt Leipzig sowie der Vororte vor ihrer Eingemeindung s. www.sachsendigital.de (zuletzt aufgerufen im Okt. 2020). Werbe-Beilagen in den Adressbüchern 1903, 1907 (S. 45), 1909 (S. 45; Abb. der Montagehalle, im Bildtitel als Schumann‘s Elektrizitätswerk bezeichnet)
  • Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen (Hg.), Verzeichnis Leipziger Straßennamen, 2018 (online, pdf)
  • Hans Rückert, Leipziger Industrie. Amtliches Firmen- und Bezugsquellenverzeichnis, Verkehrsamt d. Stadt Leipzig, 1946, Nr. 355, S. 54

Fotografische Dokumente:

  • Deutsche Fotothek, Neg. Nr. 0006478_019 (ca. 1953); Bundesarchiv, Bild 183-21247-0008 und 183-21247-0011, Leipzig, SAG Kirow –Werke (beide 14.9.1953, Foto: Illner), zuletzt eingesehen Okt. 2020.
  • Ruth Teubner (Red.), Kleinzschocher. Geschichte und Geschichten aus dem Leipziger Stadtteil Kleinzschocher, Interessengemeinschaft Buch Kleinzschocher, Leipzig [2009], S. 133

Karten:

  • Leipzig und seine Bauten. Zur 10. Wanderversammlung des Verbandes Deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine in Leipzig …, hg. von der Vereinigung Leipziger Architekten und Ingenieure, Verl. Gebhardt, Leipzig, 1892, Beilage: Karte.
  • Theodor Koch, 1888 – 1938. Leipziger Westend Baugesellschaft Leipzig. Zur 50. Wiederkehr ihres Gründungstages, Leipziger Westend-Baugesellschaft Leipzig-Lindenau, Lützner Str. 164, 1938, Karte (1900, aktualisiert): ‚Bahnhöfe und Industriegleise‘ (= Riedel S. 86f.)
  • Sabine Schneller, Hildtrud Ebert, Die Geschichte der Unternehmen der Kranunion. Hg. Kranunion GmbH & Co. KG., Leipzig, 2013, S. 148f.: Karte mit Eintragung der Vorgänger- und übernommenen Unternehmen des Kirow-Werks in Plagwitz und Lindenau.

Weiteres

 Sekundärliteratur:

  • Horst Riedel, Plagwitz. Ein Leipziger Stadtteillexikon, Pro Leipzig, 2017, 7 (Blick in die Werkhalle vor dem Umbau 2008), 227f. mit Abb. des Unternehmensgebäudes der Fa. ‚Spreadshirt‘ (2011)
  • Julia Susann Buhl, Studie zur Industriearchitektur in Leipzig Plagwitz 1870-1914 am Beispiel ausgewählter Bauten, Diss. TU Berlin, 2003, zu Unruh & Liebig S. 222-225, zu Werksstraßen S. 96, Abb. 169f. URL: http://edocs.tu-berlin.de/diss/2003/buhl_susann.pdf (kostenfrei zugänglich; zuletzt abgerufen am 12.02.2021)
  • zur Frühzeit der Fa., in der Wilhelm Mathiesen und Max Körting eine Zeit lang arbeiteten: Ulrich Krüger, Gabriele Leech-Anspach, Der Leipziger Unternehmer Max Körting und sein Werk, Sax-Verl., Beucha, 2007, S. 14ff.
  • Offizieller Katalog der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung zu Leipzig 1897. Im Auftrag des geschäftsführenden Ausschusses, bearb. v. Johannes Kleinpaul, Leipzig: Daube, 1897, Gruppe I S. 37 Nr. 391, Aussteller-Verz. S. 285. Der Ausstellungspavillon für die Firmen Nietzschmann und Wommer, in dem u.a. auch Schumann‘s Elektrizitätswerk vertreten war (s. eb. Grupppe IX, S. 141f.), ist von dem Architekten Paul Möbius (damals im Büro Händel & Franke tätig) entworfen worden, s. Website der Familie Wommer www.wommwomm.de/bauwerke/ausstellungspavillon-nietzschmann-wommer/ (zuletzt abgerufen 29.12.19).
  • Karl Juckenburg, Das Aufkommen der Großindustrie in Leipzig, Veit Verlag, Leipzig, 1913 (=Volkswirtschaftliche und wirtschafts-geschichtliche Abhandlungen, Folge 3, H. 2), im wirtschaftsstatistischen Zusammenhang finden Erwähnung Fa. Wünschmann (S. 43), Schumann‘s Elektrizitätswerk (S. 55)
  • Grundriss des für die Fa. umgebauten Areals s. https://www.homuth-architekten.de/portfolio-type/firmenzentrale-spreadshirt-leipzig (zuletzt abgerufen 3.2.2020), mit Pressemitteilungen.
  • Umbau durch Homuth + Partner: Stadt Leipzig, Dezernat Stadtentwicklung und Bau, Stadtplanungsamt, Geschäftsstelle Architekutrpreis (Hg.), Architekturpreis der Stadt Leipzig zur Förderung der Baukultur, 2011, Objekt 3. Dazu auch LVZ 14.10.2011
  • Zum ‚Haus der Elektrotechnik‘ auf dem Gelände der ehemaligen Internationalen Baufachausstellung bzw. ‚Alten Messe‘: Leipziger Messeamt (Hg.), Der Start in Leipzig. Die Bedeutung der Großen Technischen Messe und Baumesse Leipzig für die Fortschritte in Technik und Industrie, Essen: Girardet, 1940. S. 9. 257; Ulrich Krüger, Gabriele Leech-Anspach, a.O. S. 58 (mit Abb. des Gebäudes).
  • Zu Unruh & L. und Kirow-Werk s. auch Schneller, Hildtrud Ebert, a.O.

Autor: Richard Brüx

Dank gebührt Herrn Matthias Schulz, Mitarbeiter der CG-Gruppe, der mir den Zugang zum Bauaktenarchiv ermöglichte.

Datum: 03.11.2020

Abbildungen: Fotografien von Richard Brüx

Planskizze 1, 1897-ca. 1916 nach Bauakte Band I (Feb. 2020) fol. 3, 47, 54.

Planskizze 2, ca. 1916-1953 nach Bauakte Band I (Feb. 2020) fol. 127, II (Feb. 2020) fol. 5, 69, VI (Aug. 2020), fol. 57, 74

Die beiden schematischen Planskizzen orientieren sich insbesondere an verschiedenen Situationsplänen, die Momentaufnahmen der Bau- und Nutzungsgeschichte darstellen. Die Skizzen sind nicht maßstäblich angelegt und stellen lediglich Annäherungen an die tatsächlichen Proportionen der einzelnen Baulichkeiten und deren räumliches Verhältnis zueinander dar; auch sind weder die Einzelbauten noch das bebaute Gelände im Grundriss Rechtecke.