Galvanotechnik
Titel des Objekts:
Galvanotechnik Leipzig
Adresse:
Torgauer Straße 76, Leipzig
Stadtteil:
Sellerhausen
Industriezweig/Branche/Kategorie:
Galvanotechnik
Kurzcharakteristik:
Fabrikgebäude
Datierung:
1890
Objektgröße:
ca. 35.000 m²
Ursprüngliche Nutzung:
Fabrik für Anlagen und Chemikalien der Galvanotechnik
Heutige Nutzung:
ca. 80% Gewerbe, ca. 20% Leerstand, Dt. Museum für Galvanotechnik e.V.
Bau- und Firmengeschichte:
1881 gründete der Chemiker Dr. Georg Langbein (1849-1909) in der Nähe des Bayrischen Bahnhofs (Dösener Weg 9-11) die erste Firma für Galvanotechnik in Deutschland (Dr. G. Langbein, Leipzig, Chemische Fabrik für Galvanoplastik und Metallindustrie). Die Firma wuchs stetig und so wurde bereits 1890 ein Umzug auf das noch heute bestehende Gelände an der Tauchaer Str. 62 (heute: Torgauer Str. 76) erforderlich. Der Gewerbestandort befand sich damals noch auf der ‘grünen Wiese’. Die Firma hatte ca. 30 Mitarbeiter.
Nachdem mit Dr. Rudolf Jay (1865-1928) ein weiterer bedeutender Chemiker ins Unternehmen einstieg, erfolgte 1894 die Umbenennung in “Dr. G. Langbein & Co. Chemische Fabrik”. Dr. Jay war seitdem langjähriger Vorstand und Aufsichtsrat der Firma. Unter seiner Ägide wurden Filialen in Deutschland aber auch im Ausland gegründet. Außerdem baute er ein effektives Vertreternetz auf.
Die Firma wuchs nicht nur wegen dieser Maßnahmen rasant weiter. Man lieferte sich einen harten Konkurrenzkampf vor allem mit einem Betrieb namens ” Wilh. Pfanhauser, Wien”. Wilhelm Pfanhauser sen. (1843-1922) produzierte bereits seit 1873 sehr erfolgreich Apparate, Anlagen und Chemikalien für die Galvanotechnik. 1907 beschloss man, die Kräfte zu bündeln und gemeinsam am Markt aufzutreten. Beide Firmen fusionierten und firmierten seitdem unter “Langbein-Pfanhauser-Werke AG” (LPW).
Die Erfolgsgeschichte wurde fortgeschrieben und weder der Erste Weltkrieg noch Inflation oder Weltwirtschaftskrise konnten der Firma wirklich etwas anhaben. Man stand immer an der Spitze der Entwicklungen und machte sich auch um die Forschung verdient. Ein weiterer Schwerpunkt war der Ausbau der Automatisation. So baute man schon 1920 die ersten Halbautomaten für die Vernicklung und 1933 den ersten Nickel-Chrom-Vollautomaten. 1937 wurde der zweite Leipziger Standort in Betrieb genommen (Breitingstraße; heute: Elisabeth-Schumacher-Straße). Im Jahr 1940 hatte LPW 33 Vertretungen in 13 Ländern und beschäftigte ca. 2.000 Mitarbeiter. LPW war damals die größte Fachfirma für Galvanotechnik in Europa.
Während des Zweiten Weltkrieges stellte man auch Rüstungsgüter her. Hergestellt wurden z. B. Kartuschen- und Patronenhülsen oder auch Ladegeneratoren für Heeresnachrichtenzwecke. Die Firma “beschäftigte” zeitweise mehr als 500 Zwangsarbeiter. Die Gebäude überstanden den Krieg relativ unbeschadet.
Trotz Reparationsleistungen von fast 95% begann 1945 in Leipzig bereits wieder eine bescheidene Produktion. Zur offiziellen Enteignung kam es erst 1948. Zwei Jahre später wurde die Firma “VEB Galvanotechnik Leipzig” (GTL) umbenannt. Schon 1952 hatte der Betrieb wieder rund 1.500 Mitarbeiter, ein Stand der bis 1989 relativ konstant blieb. Während der DDR-Zeit besaß GTL quasi ein Monopol im osteuropäischen Raum, exportierte seine Maschinen und Chemikalien aber auch weltweit in über 36 Länder.
Mit der Wende und vor allem der Einführung der D-Mark 1990 brachen dann über Nacht fast 80% der Aufträge weg; die Mitarbeiterzahl sank in der Folge drastisch. Auch die Bildung einer “Galvanotechnik Leipzig GmbH i.G.” bereits Ende Juli 1990 konnte den Niedergang nicht mehr aufhalten. 1993 wurde GTL “abgewickelt”. Es entstanden sieben mittelständische Unternehmen, von denen zum jetzigen Zeitpunkt noch zwei existieren.
Auf dem Gelände an der Torgauer Straße wird heute u.a. das “Deutsche Museum für Galvanotechnik” (siehe: www.vdmg.de) aufgebaut.
Objektbeschreibung:
Quellen/Literatur/Links:
– Ralph Gambihler: Vernickelt, verchromt, verkupfert. Zur Geschichte der Galvanotechnik in Leipzig. In: Leipziger Blätter, H. 62 (Frühjahr 2013), S. 36–38
– Riedel, Horst: Stadtlexikon Leipzig von A bis Z, 2. Auflage, 2012, S. 332
– Dr. Ulrich Vieweger: Vortrag HTWK 06.05.2014
Autor/in: Christine Scheel, Dr. Ulrich Vieweger
Datum: Mai 2014, März 2015
Abbildungen:
– Archiv VDMG
– Gisela Vieweger