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Die “Persilfrau”

Die Außenwerbung von Persil ist eines der beliebtesten Fotomotive entlang des Karl-Heine-Kanals: die sogenannte Persilfrau. Seit 1936 ziert ihr Antlitz die Giebelwand neben der König-Johann-Brücke an der Zschocherschen Straße.

Der Künstler und Plakatgestalter Kurt Heiligenstaedt entwarf die Dame in weißem Gewand für die Firma Persil im Jahr 1922. Seitdem wurden die Motive variiert, das Erscheinungsbild der Persilfrau selbst mit dem weißen Hut und dem knielangen, wehenden weißen Kleid jedoch blieb gleich.

Das Leipziger Wandbildnis ist Eigentum der Henkel AG & Co. KGaA. Sie ist die größte Außenwerbung, die die DDR-Zeit überdauert hat und wurde 1993 rekonstruiert. Dem ging eine private Initiative voraus: Der Fotograf Frank-Heinrich Müller setzte sich für den Erhalt der stark sanierungsbedürftigen Außenwerbung ein und wandte sich an die Firma Henkel, die umgehend reagierte und sich der Persilfrau am Karl-Heine-Kanal annahm. Leider wurde sie in der Zwischenzeit beschmiert, so dass sie nicht mehr in originalem Zustand zu sehen ist.

Autorin: Kathrin Töpfer, Dezember 2021

Quellen:
http://www.photographiedepot.de/content/2projekt/12_93persil.htm
https://www.persil.de/ueber-persil/history.html
(beide zuletzt aufgerufen am 20.12.2021)




Spreadshirt

Titel des Objekts: aktuell: sprd.net AG (Spreadshirt)

Adresse: 04229 Leipzig, Gießerstr. 27 (zugehörig: Naumburger Str. 33), Naumburger Str. 31 und 29

Stadtteil: 04229, Leipzig, OT Plagwitz, Gemarkung Kleinzschocher, Flurstück 326/l (Brand-Kat. 100; Gießerstr. 27/zugleich Naumburger Str. 33), 326m (Brand-Kat. 99; Naumburger Str. 31), 410 (Brand-Kat. 98; Naumburger Str. 29)

Nutzungsgeschichte/Branchen

  • Fa. Reinhold Wünschmann (Maschinenbau) u. Schumann‘s Elektrizitätswerk (Elektrotechnische Apparate)
  • Unruh & Liebig (Transportanlagen)

dann in wechselnden Bezeichnungen: 

  • SAG Podjomnik (1.8.1946), 
  • SAG Transmasch (1.1.1950) und 
  • SAG S.M. Kirow (1.1.1952) (auch: Kirow-Werk),
  • VEB Schwermaschinenbau S. M. Kirow (1.1.1954), 
  • dann: im Kombinat TAKRAF 
  • sprd.net AG (Spreadshirt, E-Commerce-Plattform für den On-Demand-Druck von Kleidung und Accessoires)

Denkmalstatus: kein Eintrag in Denkmalliste und -karte des Sächsischen Landesamtes für Denkmalpflege Dresden

Objektgröße: nach Grundbuch-Abdruck vom 15.01.2020, Bauzeichnungen und Lageplänen ca. 4000 m2 (Fabrikgelände 1897ff.) – ca. 8330m2 (Erweiterung 1950er Jahre)

Objektbeschreibung:

Überblick: Das Areal entlang der Gießerstr. zwischen Markranstädter- und Naumburger Str. war als Besitz der Leipziger Westend-Baugesellschaft, wie eine Karte in ‚Leipzig und seine Bauten‘ zeigt, 1890 unbebaut. In den folgenden Jahren setzte hier eine intensive Bautätigkeit und Unternehmensansiedlung ein: Auf Stadtplänen von 1903 und 1905 ist das gesamte Viertel als bereits bebaut angegeben; auch die Wohnbauten Gießerstr. 25 und Naumburger Str. 30, 32 sind in dieser Zeit errichtet worden. Auf dem durch die Firma Reinhold Wünschmann (Herstellung von Kerzengussmaschinen) erworbenen, offenbar unbebauten Grundstück Gießerstr. 27 errichtete diese nach der Bauakte 1897 gemeinsam mit dem personell zugehörigen Schumann‘s Electrizitätswerk eine Fabrik. 

Die Firma Reinhold Wünschmann (Herstellung von Kerzengussmaschinen) erwarb das offenbar unbebaute Grundstück Gießerstr. 27. Der Bauakte zu entnehmen errichtete die Fa. Wünschmann gemeinsam mit der personell zugehörigen Firma Schumann´s Electrizitätswerk eine Fabrik.

Letztere handelte mit elektrischen Anlagen wie Motoren und besorgte die Elektrifizierung von Nebenbetrieben wie C.F. Weithas Nachf. (durch Ausstattung mit entsprechenden Anlagen, nach Buhl auch durch Stromlieferung). Zur Fabrik gehörte auch eine Dampfkesselanlage zur Erzeugung von Energie und Dampf zum Maschinenantrieb, die nach Anschluss an die Versorgung mit elektrischem Strom (ca. 1916) zumindest zu Heizzwecken weiterbetrieben wurde. 

Zudem hatte die Fabrik wie ihr Nachbarunternehmen C.F. Weithas Nachf. Zugang zum Industriegleis P XII. Die Grundstücke Naumburger Str. 31 und 29 gelangten als Reserven für Betriebserweiterungen in den Besitz der Firma und wurden offenbar (wohl teilweise und zeitweilig) an verschiedene Unternehmen vermietet: An die AG Beton und Monierbau (Naumburger Str. 31) oder die 1891 gegründete Leipziger Zweigniederlassung des Berliner Unternehmens (Julius) Freudenstein & Co. (ab 1899 als Stahlbahnwerke Freudenstein & Co. AG, Fabriken für Feld-, Forst- und Industriebahnen), die um und nach 1900 an der Naumburger- 29 zumindest zeitweilig ein Lager unterhielt. Das (bebaute) Firmengelände ging 1917 als Werk II in den Besitz von Unruh & Liebig über (Stammwerk Naumburger Str. 28 an der gegenüberliegenden Straßenseite). In dessen Auftrag wurden verschiedene bauliche Veränderung und Neubauten vorgenommen; dazu gehörten in den 1940er Jahren auch die Errichtung zweier Arbeitslager.

Werk I und II wurden seit den 1950er Jahren dem Betriebsgelände des Nachfolgebetriebes, dem SAG Transmasch (vorm. Unruh & Liebig / Kirow-Werk)  inkorporiert, zusammen mit Nachbargrundstücken in der Naumburger Str. (Nr. 27: Fa. Hammer, Nr. 25: Fa. Törpsch als Werk V) und Markranstädter Str. 8 (und Gießerstr. 29: Fa. C.F. Weithas Nachf. als Pachtbetrieb Werk IV) sowie Markranstädter Str. 4/6 (Fa. Max Billhardt bzw. Fa. Eberspächer). In dieser dritten Nutzungsperiode erfolgten umfangreiche Um- und Neubauten. Die doppelte Sperrung der Naumburger Str. bedeutete die Umwandlung einer öffentlichen Verkehrsfläche in Betriebsgelände (Werksstraße).

Die gegenwärtige vierte Industriebelegung des Grundstücks Gießerstr. 27 erfolgte durch Spreadshirt, ein 2002 gegründetes, 2006 von einer GmbH (2003) in eine AG überführtes Unternehmen, das gegenwärtig nach eigenen Auskünften ca. 900 Mitarbeiter an fünf Produktionsstandorten beschäftigt. Die Fa. nutzt das Grundstück im Besitz der Plagwitzer Immobiliengesellschaft/CG-Gruppe als Mieter. In diesem Zusammenhang erfolgten 2008 Umbau und Erweiterung des Bautenensembles Gießer-/Naumburger Str. durch das Architekturbüro Homuth + Partner, das dafür 2011 mit dem Architekturpreis der Stadt Leipzig geehrt wurde.

Die in den Spreadshirt-Neubau integrierte Fassade des ersten Industriebaus an der Gießerstr. ist im wesentlichen erhalten geblieben. Aus der Bebauungsphase der 1950er Jahre stammen Teile der Fassade in der Naumburger Str., die Stützen des Eisenlagers in der Ostwand des Spreadshirt-Gebäudes und auf dem Grundstück Naumburger Str. 29 der unmittelbar benachbarte Hallenbau (aktuell zumindest z.T. von der Fa. obeta electro genutzt; am größeren rückwärtigen Teil der Halle sind gegenwärtig Bauarbeiten im Gange; vermutlich ist eine neue Nutzung vorgesehen).

Unternehmensgeschichte: Reinhold Wünschmann / Schumann‘s Elektrizitätswerk und Nachfolgeunternehmen: Die Geschichte des Unternehmens lässt sich in Grundzügen anhand von Unterlagen im Staatsarchiv unter Zuhilfenahme von Adressbüchern rekonstruieren.

Heinrich Reinhard Friedrich Wilhelm Oscar Schumann (gest. 1897) war ein sehr aktiver Unternehmer, zu dessen Gründungen u.a. das spätere Industriearmaturenwerk Schumann & Köppe gehörte. Sein Unternehmen Schumann‘s Electricitätswerk (der erläuternde Nebentitel variierte, im folgenden: SE), hervorgegangen aus Schumann‘s Mechanischer Werkstätte zur Einrichtung elektrischer Beleuchtung, handelte anfangs mit Stromerzeugern besonders französischer Bauart (Gramme, Paris) und war mit der Ausführung von elektrischen Licht- und Kraftanlagen befasst. Später wurde eine eigene Produktion aufgebaut, zu der auch eine Bogenlampenherstellung gehörte, die später an Körting & Matthiesen verkauft wurde. Beide hatten, bevor sie sich mit eigener Firmengründung selbständig machten, in Schumann‘s Werkstätte gearbeitet. Das Unternehmen besaß offenbar einige Bedeutung auf diesem jungen elektrizitätsindustriellen Gebiet. 

1897 zählte es 70 Beschäftigte, 1903 ca. 90. Im Jahr 1892 hatte es den Ehrenpreis der Stadt Leipzig und auf der Antwerpener Weltausstellung 1894 eine Goldmedaille erhalten. Auf der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung in Leipzig von 1897 war SE (nach eigener Angabe bereits 1885 gegründet) in einem Ausstellungspavillon mit vertreten. Das Unternehmen verwendete in seiner Geschäftspost zumindest vier verschiedene Briefköpfe, u.a. mit einer Werksansicht.

Schumann‘s Elektricitätswerk ist am 2. August 1893 im Handelsregister eingetragen worden und wurde als Kommanditgesellschaft betrieben. Es war nach Adressbüchern zunächst in der Mittelstr. 7 (Hans-Poeche-Str.) ansässig. Nachdem Friedrich Wilhelm Oscar Schumann 1897 verstorben war, wurde August Wilhelm Oscar Schumann (vermutlich ein Nachkomme) in diesem Jahr Mitinhaber und Kommanditist, schied aber bereits 1902 wieder aus der Fa. aus. Damit war kein Mitglied der Familie Schumann mehr an dem Unternehmen beteiligt. Dieses bestand jedoch fort. Bereits 1896 wurden der Ingenieur Ewald Gotthold Egbert Wünschmann, Besitzer der Lichtgiessmaschinenfabrik Reinhold Wünschmann (Elisenstr. 12 ansässig, heute B.-Göring-Str., 1864 als Rüdig & Wünschmann gegründet) und Julius Eduard Franz Graff Mitinhaber (zudem ab 1891 Mitinhaber der Fa. R. Wünschmann). Die Fa. R. Wünschmann war seitdem, wie ein Briefkopf (Geschäftsschreiben vom 11.01.1908) ausweist ‚Schwesterfirma‘ von SE, welche im amtlichen Schriftverkehr stets mitzeichnete und 1897 Mitbauherrin für das gemeinsame Fabrikgebäude gewesen ist. Daher finden sich auch für die Jahre zuvor beide Firmen an denselben Orten verzeichnet: Gießerstr. 19 (ab 1907 Nr. 27) und Braustr. 19 (= Naumburger Str.; diese Angabe lässt sich nicht verifizieren). Beide Firmen hatten bis 1919 eine gemeinsame Betriebsleitung und prokuristische Vertretung. In der Naumburger Str. 31 und 29 bestanden ab 1905 zeitweilig Lagerflächen, die auch verpachtet wurden.

Vermutlich produzierte die beide Unternehmen umfassende Fa. in der Gießerstr. 27 unter dem Namen Wünschmann Kerzengießmaschinen und unter dem Namen Schumann elektrische Anlagen (vgl. den Bauantrag 1897, s. unten). Werbeanzeigen im Leipziger Adressbuch von 1903, 1905 und 1909 kennzeichnen SE in erster Linie als produzierendes Unternehmen, zudem als Installations- und Handelsbetrieb. Ein Bericht zum späteren Konkursverfahren 1932 teilt hingegen mit, dass SE (ausschließlich) als Handelsgesellschaft fungierte. Auf jeden Fall wurde in der mit einer Dampfkesselanlage und angeschlossenem Maschinenhaus (sowie ‚Accumulatorenraum‘) ausgestatteten Fabrik auch produziert. In Bauzeichnungen sind die verschiedenen Betriebsräume näher bezeichnet: Während ‚Schmiede‘, ‚Werkzeugschlosserei‘, ‚Spähnelager‘, ‚-gußlager‘ nur allgemein auf eine Maschinenfabrik, ‚Kranhalle‘ auf den Transport schwerer Objekte hinweisen, ‚Magazin‘, ‚Packraum‘ u. ‚Kistenlager‘ auf produktionsnotwendige Lagerhaltung und Versand signalisieren, gestattet die Angabe ‚Zinnschmelzerei‘ keine Entscheidung darüber, ob elektrotechnischer Anlagen oder Kerzengussmaschinen hergestellt wurden, denn zur Herstellung beider Produkte fand Zinn Verwendung, in großen Ausmaß bei letzteren. ‚Prüffeldraum‘ hingegen assoziiert eher elektrotechnische Objekte. Auch ist die Fabrik kein auf die die funktionellen Zusammenhänge spezifischer Produktionsvorgänge hin entworfener Industriebau.

Nach dem Tod von Reinhold Wünschmann wurde dessen Witwe Henriette Victorie 1897 kurzzeitig Mitinhaberin, dann bis zu ihrem Ausscheiden 1918 Kommanditistin. 1914 trat der Ingenieur Amy Richard Wilhelm Felix dem Unternehmen als offener Gesellschafter (Komplementär) bei (Egbert Wünschmann wurde Kommanditist), zudem war er kurzzeitig Mitinhaber der Fa. Wünschmann. Für die 1917, 1918 und 1919 ausgeschiedenen Gesellschafter Egbert Wünschmann, Victorie Wünschmann und Franz Graff traten 1919 der Ingenieur Max Lange (offener Gesellschafter) und der Kaufmann Ewald Schlundt (Kommanditist) dem Unternehmen bei, das nun also von Felix und Lange geleitet wurde. Damit scheinen sich auch die Wege der beiden Unternehmen Wünschmann und Schumann zu trennen. Nachdem das Firmengelände in der Gießerstr. 27 / Naumburger Str. 33, 31 und 29 bereits Ende 1916 in Besitz der Peniger Maschinenfabrik und Eisengießerei, Aktiengesellschaft in Penig, d.h. Unruh & Liebig (Werk I: Naumburger Str. 28) übergegangen war (und seitdem als ‚Werk II‘ dieses bisherigen Nachbarunternehmens fungierte), wurde 1919 die serielle Produktion von Motoren nach Saalfeld verlagert und dort als Schumann´s Electricitätswerk Werk Saalfeld mit ca. 120 Arbeitern und 20 Angestellten in gemieteten Räumen betrieben. Die beiden Unternehmen in Saalfeld (Geschäftsführer: Felix, Lange) und Leipzig (Geschäftsführer: Schlundt, 1919-1925 OHG) waren handelsgerichtlich getrennt, mit denselben Inhabern (Felix, Lange) eingetragen. In Leipzig verblieb der Warenvertrieb Saalfelder Motoren, später auch anderer Hersteller mit ca. 10 Angestellten. Angemietete Geschäftsräume befanden sich nach Adressbüchern von 1910-1932 in der Kleinen Fleischergasse 8 bzw. Hainstr. 5 (Kleine Joachimstalpassage), zudem besaß die Fa. in den 1920er Jahren einen Messestand bei dem 1921 gegründeten Haus der Elektrotechnik e.V., in dessen Ausstellungsgebäude auf der Technischen Messe (Halle 10, errichtet 1923).

Im neuen Werksteil von Unruh & Liebig wurde im 1. Weltkrieg die Produktion von Rüstungsgütern (Granaten) betrieben, erneut im 2. Weltkrieg (Munitionsaufzüge). Unruh & Liebig verpachtete ca. 1936/37 Teile des Werkes II an die Leipziger Werkzeug- und Gerätefabrik GmbH, die dort eine mit Acetylen betriebene Schweißanlage (Azetylen-Entwickler der Fa. Messer & Co., Berlin) sowie einen ‚Vulkan-Lufthammer‘(einer Fa. aus Berlin-Neukölln) mit einem Bärgewicht von 125 kg errichten ließ.

Das Schicksal des erwähnten Saalfelder Unternehmens ist nicht klar: 1925 liquidiert, jedoch noch 1938 ebd. Bernhardstr. 14 nachweisbar. Kaum besser erging es dem Leipziger Unternehmen. Konnte es sich noch von den Folgen der Inflation erholen, bedeutete die Weltwirtschaftskrise den Niedergang in den Konkurs ab 1932. Zahlungen an Schlundt aus dem Firmenvermögen beschleunigten diesen Vorgang. Felix, Lange und Schlundt schieden 1933 als Gesellschafter aus. Die Fa. wurde an den Kaufmann Gustav Eduard Johannes Meschke verkauft, der zu einem der Inhaber in einem Verwandtschaftsverhältnis gestanden hatte sowie seit 1909 Prokurist und seit 1926 Geschäftsführer der Fa. gewesen war. Das Konkursverfahren wurde 1936 mangels Masse eingestellt. Meschke betrieb das Unternehmen, mehr schlecht als recht, unter dem angestammten Namen bis zu seinem Tod am 10.12.1943 als Angestellter eines anderen Unternehmens (Fa. Panier, Leihhaus, Nordstr. 58) von seiner Wohnung aus. 1946 erfolgte die Löschung der Fa.

Nach Verkauf der Fabrik an Unruh & Liebig führte F. Graff nach Ausscheiden Ewald Gotthold Egbert und Henriette Wünschmanns die Fa. Wünschmann in Lindenau, Josephstr. 31 fort. Mit dem Tod Graffs 1925 übernahm der 1919 der Fa. beigetretene Curt Gustav Beilicke als Alleininhaber im April 1926 die Unternehmensleitung (Kommanditgesellschaft), die wiederum nach dessen Tod 1959 an dessen Ehefrau Ella Hildegard Beilicke (geb. Graff) überging (1967 neu verheiratet als Ella Reichelt).

1948 zählte das ‚stark in den Export eingeschaltete‘ Unternehmen 10 Beschäftigte, davon 8 Arbeiter (1946 7-8 Beschäftigte, davon 6-7 Arbeiter). Firmenunterlagen illustrieren die Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung, insbesondere von Zinn zur Herstellung von stearinbeständigen Gussformen. Bereits 1960 erfolgte eine staatliche Unternehmensbeteiligung durch den VEB (K) Feineisenbau Leipzig (infolge Kombinatsbildung ab 1970 VEB Kombinat Orsta-Hydraulik). 1966 schied E.H. Beilicke aus der Geschäftsführung aus. 1972 wurde der Betrieb an den VEB Akkumulatorenbau Markkleeberg (Orsta-Hydraulik) verkauft, der nach Liquidation des Unternehmens 1973 Rechtsnachfolger des Firmengrundstücks wurde. Die Liquidation erfolgte, obwohl der Wirtschaftsrat noch 1971 die Produktion von Kerzengießmaschinen durch die Fa. Wünschmann als Alleinhersteller für volkswirtschaftlich wichtig und ‚unbedingt zu erhalten‘ erklärt hatte.

Nach 1945 wurden die Betriebsteile von Unruh & Liebig in die SAG Transmasch überführt, der am 01.12.1952 der Name S.M. Kirow verliehen wurde (seitdem auch Kirow-Werk), die SAG ging erst 1954 in das Eigentum der DDR über. Der Betrieb wurde dem VVB Ausrüstung für Bergbau und Schwerindustrie (ABUS), dann dem VVB TAKRAF angegliedert. Spätestens durch die letzte Angliederung wurde das Unternehmen zum Großbetrieb aus 26 Einzelbetrieben mit 40.000 Beschäftigten und der Forschungseinrichtung Institut für Fördertechnik Leipzig. 1979 fusionierten der VVB TAKRAF mit dem VEB Transportanlagenbau Leipzig zum VEB Schwermaschinenbaukombinat TAKRAF. In Plagwitz wurden dem Kirow-Werk ab ca. 1950 neben Werk I und II der ehemaligen Fa. Unruh & Liebig verschiedene Nachbarbetriebe als Werke III (bisher nicht identifiziert), IV und V inkorporiert. Damit gehörte das gesamte Areal zwischen Zschocherscher- und Gießer-, Naumburger- und Markranstädter Str. mit Ausnahme der ehemaligen Fabrik Swiderski zu diesem Großbetrieb, weiter die Produktionsstandorte von Grohmann & Frosch in Plagwitz und Lindenau. Der Expansion eines derart großen (Stamm-)Werkes waren in Plagwitz Grenzen gesetzt, weshalb bereits 1948 die Einrichtung eines neues Betriebsgeländes in Böhlitz-Ehrenberg erfolgte; der Plagwitzer Standort blieb prekär.

Das Kirow-Werk, heute Kirow-Ardelt GmbH, gehört zu den wenigen DDR-Betrieben, die die politische Wende 1989/90 und die Treuhand überstehen konnten. Die Nutzungsgeschichte des ehemaligen Betriebsgeländes an der Naumburger Str. nach 1989 müsste noch eruiert werden; 2008 erfolgte ein Umbau der Werksanlagen für das Unternehmen Spreadshirt.

Baugeschichte (s. Planskizzen): Die Bauakte beginnt mit dem Antrag der Unternehmen Reinhold Wünschmann und Schumann‘s Elektricitätswerk vom 03.04.1897 zur Errichtung eines Fabrikneubaus an der Ecke Gießer- u. Naumburger Str., in den die in der Elisenstr. 12 (Bernhard-Göring-Str.) und Mittelstr. 7 (Hans-Poeche-Str.) bestehende ‚Maschinen- resp. elektrotechnische Fabrik zur Fabrikation von Kerzengussmaschinen bzw. elektrischen Maschinen‘ verlagert werden sollte. Der durch das Leipziger Architekturbüro Händel & Franke (mit mehreren Tekturen) projektierte und statisch berechnete, durch das Baugeschäft F.P. Bastänier & George ausgeführte Neubau ist zum 01.10.1897 fertiggestellt worden; J.S. Buhl hat ihn in ihrer Studie zu Plagwitzer Industriearchitektur nicht behandelt. Er bestand aus einem zweigeschossigen Gebäude an der Gießerstr. für technische Abteilung und Verwaltung auf der linken Seite und Garderobe und Essräumen auf der rechten Seite des Gebäudezugangs. Des Weiteren aus einem hinter Verwaltung und technischem Büro und an der Naumburger Str. liegenden durchgehend eingeschossigem ‚Arbeitssaal mit Shedoberlicht’ auf stählernem Tragwerk und Kranhalle mit durchgehendem Oberlicht (in der Bauakte als Sheddach bezeichnet; integriert war ein Packraum genanntes Areal) in Nord-Süd-Ausrichtung als sein östlicher Abschluss.

Nur die beiden Gebäudeecken an der Naumburger Str. sind als zweigeschossige Hochbauten hervorgehoben. Die Fassade an der Gießerstr. war hinsichtlich der Wandöffnungen 16-achsig (Gebäudezugang zweiachsig), die der Naumburger Str. neun-achsig, die abgeschrägte Gebäudeecke einachsig. An diesen Arbeitssaal anschließend: im Osten Maschinen-, und Kesselhaus mit ‚Acumulatorenraum‘ sowie sanitäre Einrichtungen, als südliche Raumflucht verschiedene Lager sowie eine Schmiede. Im Arbeitssaal war ein gesonderter Bereich als Magazin ausgewiesen (Arbeitssaal ohne Magazin ca. 32 m in Ost-West- und 44,26 m in Nord-Süd-Richtung), dem sich östlich Zinnschmelzerei und Werkzeugschlosserei anschlossen. Diese innere Disposition hat im Laufe der Zeit, bald nach 1900 einsetzend, mehrfach Veränderungen erfahren. Das nach und nach mit verschiedenen Schuppen (zudem einem zeitweiligen Kontorgebäude) bebaute Hofgelände östlich des Arbeitssaales erstreckte sich in der Naumburger Str. nach Osten bis einschließlich  in Höhe des Wohnhauses Nr. 30, in der Gießerstr. bis zum Industriegleis und der Nachbarfabrik C.F. Weithas Nachf.

Zumindest die Fassade der Gießerstr. ist als unverputzter Ziegelbau im wesentlichen erhalten geblieben; die Abschrägung der Gebäudeecke ist bereits 1897 geplant und ausgeführt worden. Die Fassade ist, zwischen Werksteinsockel und Dachgesims mit Attika darüber, vertikal durch flache durchgehende Wandvorlagen zwischen den Fenstern bzw. Fensterpaaren gegliedert, die sich in der Attika fortsetzen. Eine ähnliche Gestaltung zeigt die Fabrik Grohmann & Frosch (heute Kirow-Ardelt GmbH) in der Gießerstr. Die Attika verleiht dem Bauwerk einen klaren, markanten oberen Abschluss und verdeckt die dahinterliegenden Dachbauten.

Die beiden Gebäudetrakte nördlich und südlich des Zugangsbereiches unterscheiden sich vor allem in ihren Fensterformen: Während auf der Nordseite Segmentbogenfenster mit geradem Sturz im Erdgeschoss und rechteckige Fenster im Obergeschoss Verwendung fanden, sind auf der Südseite kleinere, paarweise angeordnete Segmentbogenfenster verwendet worden. Der ehemalige Zugang an der Gießerstr. ist heute ablesbar an dem Fassadenabschnitt, in dem unten der zum ursprünglichen Bauwerk gehörende niedrige Werksteinsockel unterbrochen ist. Die Bauzeichnung sah einen hinter die Gebäudeflucht zurückspringenden Abschnitt in zweiachsiger Gliederung aus Tür mit Fensterpaar darüber in der südlichen, zwei übereinander angeordneten Fenster in der nördlichen Achse vor, dessen oberes mit einem an dieser Stelle nicht überzeugenden (und in einer Tektur gestrichenem) Balkon versehen werden sollte, während am unteren eine Treppe zu einem seitlichen Eingang angedeutet ist. Alle Wandöffnungen haben Segmentbögen.

Dieser Hofraum ist zur Gießerstr. hin wohl durch eine Einfriedung geschlossen worden. Diese Situation blieb offenbar bis zu einem Umbau 1949/50 erhalten. Der nicht erhalten gebliebene südliche Gebäudeabschluss sollte lt. Bauzeichnung aus einer Mauer mit angeschlossenem zweiflügeligen schmiedeeisernen Tor bestehen (die heutige Gestalt war spätestens Ende der 1930er Jahre vorgeformt). Die Grundstücksgrenze bildete das Industriebahngleis P XII, das sich das Unternehmen mit der benachbarten Fa. C.F. Weithas Nachf. teilte.

Ein Briefkopf (Geschäftsschreiben vom 11.01.1908) zeigt das gesamte bebaute Areal aus der Vogelperspektive und spiegelt die gebaute Realität offenbar recht genau wieder; die Existenz des benachbarten Unternehmens C.F. Weithas Nachf. ist darauf jedoch ganz unterschlagen worden.

In den Folgejahren sind lediglich kleinere Anbauten unter Einbeziehung hinzuerworbenen Areals vor allem östlich des Kesselhauses errichtet worden: Trocken- und Polierraum (1906), Gusslager- und andere Schuppen (1908), Erweiterung eines Prüffeldraumes (1911) durch das Bauunternehmen Walter Schneider. 1916 erfolgte ein Antrag auf Versorgung des Betriebes mit elektrischem Strom durch die Leipziger Elektricitaetswerke.

Zur Ausstattung des Fabrikneubaus gehörte die Errichtung einer Dampfkesselanlage und einer im Querschnitt runden ‚Schornsteinsäule‘ von 33,50 m Höhe. Beides wurde ebenfalls durch das Büro Händel & Franke im Juni 1897 projektiert; als Bauherr sind beide Firmen oder nur SE angegeben. Die Dampfkesselanlage bestand aus einem Zweiflammrohrkessel der Fa. Moritz Jahr, Gera (Reuß) mit der lfd. Nr. 552 (Baujahr 1897; Heizfläche 75 m2, max. Dampfspannung: 8 at Überdruck). Die Genehmigung für Errichtung und Betrieb der Dampfkesselanlage wurde nach Prüfungen durch die zuständige Kgl. Gewerbeinspection Leipzig am 26.08.1897 erteilt, am 03.11.1897 erfolgte die Abnahme der installierten Kesselanlage u.a. zur Heizung mit Dampf. Zuvor, am 11.10.1897, setzte SE Baupolizeiamt und Gewerbeinspection über die ‚interimistische‘ Aufstellung und Betrieb einer ‚10-pferdigen‘ Lokomobile in Kenntnis, da deren ‚eigentliche Betriebsstation noch nicht fertiggestellt sei‘.

Die Errichtung einer ‚Blitzableitung‘ erfolgte durch die Leipziger Fa. Otto Ehrling (baupolizeiliche Abnahme am 12.10.1898). Die bestehende Dampfkesselanlage erwies sich nach wenigen Jahren als unzureichend, weshalb SE am 14.05.1906 die Absicht zur Aufstellung eines zusätzlichen weiteren Dampfkessels mitteilte. Und zwar eines Zweiflammroh-Doppelkessels der ‚Sächs. Maschinenfabrik vorm. Hartmann AG, Chemnitz‘ (lfd. Nr. 4250, Baujahr 1906) von nun 120 m2 Heizfläche und 12 at Überdruck (Verfeuerung sächsischer Braunkohle, mit angeschlossenem ‚Völker’s Halbgasfeuerung mit Schür- und Reguliergungsapparat D.R.B.‘), zur Versorgung der 160-PS-Betriebsdampfmaschine. Die Errichtung erfolgte zügig, so dass am 20.06.1906 die Abnahmeprüfung erfolgen konnte. Jährliche Prüfungen beider Kesselanlagen (in der Bauakte bis 1930 verzeichnet) erfolgten durch die Kgl. Gewerbe-Inspection; in der Bauakte zeichnet der Sächs. Dampfkessel-Überwachungsverein in dieser Funktion ab 1913, später das Gewerbe-Aufsichtsamt Leipzig II. 1937 ist eine Verlängerung der Betriebserlaubnis für die größere Kesselanlage (Nr. 4250) bis zum 31.12.1941 erteilt worden, die aber wohl 1939 stillgelegt wurde (der alte Kessel, Nr. 552, war wohl bereits 1937 nicht mehr in Betrieb). 

1920 beantragte der neue Eigentümer der Fabrik, Unruh & Liebig, den Einbau zweier Dampf-Speisepumpen der Fa. Weise & Monski (Modelle Nr. 508 und 509) zur Versorgung der beiden Dampfkessel, die Inbetriebnahme erfolgte am 31.03.1921. 1923 wird in den größeren Kessel eine Dampfüberhitzungsanlage durch die Fa. F.L. Oschatz, Maschinen- und Dampfkesselfabrik Meerane und durch die Fa. Weinhold & Hiller (Leipzig-Leutzsch) eine Muldenrostfeuerung (‚System Weinhold‘) eingebaut. In diesem Zusammenhang erfolgt im selben Jahr auch der Umbau der Kohlebühne vor der Feuerung und schließlich 1930 noch die Errichtung einer Elekrohängebahn zur Beschickung der Kesselfeuerung über einen Kohlebunker (s. unten).

Unruh & Liebig ließ 1920 durch das für die Fa. bereits früher tätige Ingenieurbüro Paul Ranft auf dem ehemaligen Gelände des Unternehmens Reinhold Wünschmann / SE (Gießerstr. 27/Naumburger Str. 33, nördlich des Kesselhauses) eine massive Werkzeugschlosserei (ausgestattet mit Elektromotoren; städtische Stromlieferung) mit über einer Eisenbetondecke liegendem Essraum für die Werksarbeiter projektieren und durch das Bauunternehmen G. Brömme (Baugeschäft u. Eisenbetonbau Leipzig-Chemnitz) ausführen. Das Gelände Naumburger Str. 31 u. 29 wurde, wie ein Situationsplan von 1929 zeigt, als Lagerplatz benutzt. 1929/1930 erfolgte durch die Fa. selbst die Errichtung einer Elektrohängebahn mit Greiferbetrieb zur Entladung der auf dem Privatgleis P XII ankommenden Kohle-Waggons und Verbringung der Kohle in den Kohlebunker des Kesselhauses bzw. auf den Kohlelagerplatz. Die Bahn sollte auch dem Transport von Drehspänen dienen.

1936 sind wie bereits erwähnt eine Anlage zum autogenen Schweißen mit Acetylen-Entwickler sowie ein Vulkan-Lufthammer mit einem Bärgewicht von 125 kg errichtet worden. 1937 und 1938 erfolgten diverse Schuppen(um)bauten auf Gelände Naumburger Str. 31 durch das Bauunternehmen Oswald Ebert, u.a. für Fahrräder. 1939 hat das Bauunternehmen Fritz Künicke das jetzt stillgelegte Kesselhaus zu einer Werkstatt umgebaut und mit einem Luftschutzraum für 190 Personen ausgestattet. Eine Übersichtszeichnung aus diesem Jahr zeigt, dass die Montagehalle gegenüber ursprünglichen Arbeitssaal vergrößert und die westlich und südlich angrenzenden Räume verkleinert und funktionell neu organisiert worden waren, ohne dass dafür Umbaupläne überliefert zu sein scheinen.

Im gleichen Jahr errichtete diese Firma zudem eine Transformatorenstation mit einer Dampfverteilungsanlage (Speisung durch Werk I) an der Naumburger Str., an der weiterhin 1940/41 eine das Werksgelände abschließende, baufällig gewordene Einfriedung durch eine Mauer ersetzt wurde, die ein wohl bereits früher errichtetes Pförtnerhaus einband. Künicke war nochmals 1942/43 für Unruh & Liebig mit dem Einbau von zwei Lagern für ‚ausländische Zivilarbeiter‘, wie es im Bauantrag euphemistisch hieß, und der Anlage eines Splitterschutzgrabens für diese Arbeiter tätig (ein weiteres Lager wurde im Werk I betrieben).

Ein Fliegerangriff am 20.02.1944 hatte offenbar größere Schäden zur Folge (das Ausmaß ist unklar und es muss offenbleiben, ob nur ein Werkteil oder beide betroffen waren), weshalb das Unternehmen den Architekten Fritz Eberlein, Burgstädt/Sa. im Rahmen von Sofortmaßnahmen mit Wiederaufbauarbeiten beauftragte, die im Oktober dieses Jahres noch im Gange oder noch gar nicht begonnen worden waren.

1949/50 wurde nach Plänen des Architekturbüros Rudolf Hager für Unruh & Liebig, Staatl. AG für Maschinenbau ‚Podjomnik‘‘ die Werksküche im Gebäudetrakt an der Gießerstr. (1. OG) umgebaut. Dabei erhielt der ehemalige Eingangsbereich eine neue Fassade (das OG erhielt drei Fenster), die statt des ursprünglichen Rücksprungs nun in der Gebäudeflucht angelegt wurde (Eingangssituation im EG blieb offenbar eine zeitlang erhalten). Dasselbe Büro projektierte 1953 auch die Errichtung eine Gebäudebrücke, die den Arbeitern des nun neu zum Betriebsgelände zählenden Werkes IV (Weithas-Halle) als Zugang zur Garderobe in Werk II dienen sollte.

Diese kleineren Veränderungen sind Teil eines umfassenden Um- und Neubauprogramms; das wurde erst infolge der amtsseitigen Neuordnung der Bauakte (zwischen Februar und August 2020) deutlich. Ziel der Neuanlage war die maximale Flächenausnutzung von Werk II des unter Angliederung zahlreicher Nachbarunternehmen wachsenden Kirow-Werkes in einem Neubau, der aber der ‚Kapazität‘ des Betriebs gar nicht angemessen war. Im einzelnen lässt sich der gesamte Planungsprozess wohl kaum noch in wünschenswerter Klarheit rekonstruieren. Zudem sind die Lichtpausen der Bauzeichnungen im Bauaktenarchiv im Laufe der Jahre stark verblichen und teilweise kaum noch nachzuvollziehen. Der Neubau wurde trotz der Rüge unzureichender ‚Planvorbereitung‘ und sicherheitstechnischer Einwände (Fluchtwege, Licht und Belüftung, Brandschutz) gegen die ‚Übersteigerung der Überbauung‘ infolge des erteilten ‚Planauftrages‘ schließlich mit verschiedenen Änderungen realisiert. Die gewünschte ‚Bauauflockerung‘ unterblieb aber, und die durch die Betriebsgröße bedingte Überforderung der öffentlichen Verkehrsräume wurde dann noch durch die doppelte Sperrung der Naumburger Str. zugespitzt. Die nähere bauliche Planung der Um- und Neubauten wurde dem Architekten Rudolf Hager übertragen; mit der Bauausführung war u.a. das Bauunternehmen Eduard Steyer beauftragt. Die Bauanträge und Bauzeichnungen sind 1951 angefertigt worden, das Genehmigungsverfahren zog sich bis Ende 1953 hin (Bauantrag und Baubeschreibung konnten bislang in der Bauakte nicht ausfindig gemacht werden).

Eine Erweiterung konnte das Betriebsgelände, d.h. der jetzt als ‚Mechanische Werkstatt‘ bezeichneten ehemaligen Montagehalle, nur auf der Ostseite erfahren (Genehmigung der Mechanischen Werkstatt am 12.12.1953; Unruh & Liebig hatte bereits früher eine ‚mechanische Werkstatt‘ und eine ‚Vorbereitungshalle‘ (s. unten) betrieben; s. Buhl mit falscher Lokalisierung). Zu diesem Zweck wurden bestehende Bauten im Bereich Naumburger Str. 33 sowie das angrenzende, vor allem zu Lagerzwecken genutzte Gelände Naumburger Str. 31, 29 überbaut (alte Toreinfahrten sind mit Pflasterungen im Bereich des Gehweges heute noch sichtbar), eine teilweise noch bestehende ‚Hofkranbahn‘, die in der Bauakte nicht nachweisbar ist [identisch mit Elektrohängebahn?], integriert. Die Stützen in der östlichen Hallenwand (heute in der Ostaußenwand des Spreadshirt-Baus, Naumburger Str. 31, erhalten und sichtbar) fungierten zugleich als Auflager für das neue unmittelbar anschließende ca. 25 m breite Eisenlager, dem sich östlich ein ‚Vorbereitungshalle‘ genannter Bau von ca. 17 m Breite anschließt (beide Hallen genehmigt am 28.02.1953).

Dieser letztgenannte Bau stand zum großen Teil auf einem ursprünglich gepachteten Grundstück, das dann entsprechend angepasst wurde; die Halle ist in der Naumburger Str. 29 erhalten geblieben. Während die auf den Ursprungsbau zurückgehende Westfassade, entgegen ursprünglicher Planung, im wesentlichen unverändert blieb, erfuhr die nördliche einen nach Osten verlängerten, dreigeschossigen Umbau, in dem technische Abteilungen und Verwaltung untergebracht waren. Die heutige Gestalt des Spreadshirt-Baus rekonstruiert hier unter Nutzung originaler Bausubstanz (im ziegelverkleideten EG und den beiden Treppenhausrisaliten gut nachvollziehbar) diesen zeittypischen Bauzustand, stellte hingegen den ursprünglichen Zustand der Westfassade wieder her und damit auch den Bezug auf den Ziegelbau des Nachbarunternehmens C.F. Weithas Nachf.. Die ehemals als Fensterwand ausgebildete Südfassade ist als geschlossene Wandfläche neu geschaffen worden.

Die beiden genannten Hallen ruhten auf Stahlkonstruktionen mit Kranbahnauflagern (gemeinsame Stütze in Längsrichtung) und erstreckten sich über die gesamte Grundstückstiefe in Nord-Süd-Richtung ca. 70 m. Sie waren mit massiven Decken (‚Leipziger Decke‘) versehen, die in der Firstachse mit einem Oberlicht ausgestattet waren (beim Eisenlager auf ca. 48 m Länge). Die Längswände der Vorbereitungshalle waren ausgemauert und mit großen Fenstern ausgestattet (die Westwand aus statischen Gründen mit einer Mauervorlage verstärkt, heute Außenwand). Der Giebel der Vorbereitungshalle wurde zur Erlangung einer einheitlichen Fassade über die Breite des Eisenlagers hinweggezogen, und schloss oben mit einer Attika (mit aufliegender Gesimsplatte) in Firsthöhe des Eisenlagers. Die Wand war ‚in Pfeilersystem‘ ausgemauert, unter Ausbildung eines Bandes großer Fenster zwischen sichtbar belassenen Stahlbetonträgern, darunter befanden sich in flachen Nischen kleinere Fenster, zudem war ein Schiebetor und eine Pforte vorgesehen. Diese Fassadenwand wurde mit ‚ausgesuchten Klinkern‘ (wie an der benachbarten Werkstattfassade) verblendet, mit denen die sichtbar belassenen Stahlbetonträger kontrastierten. Deutlich also das Bemühen um einen qualitätvollen, das bauliche Umfeld berücksichtigenden, bezugnehmenden Industriebau.

Im Zusammenhang mit der gewünschten Betriebserweiterung sah die Bauplanung die doppelte Sperrung der Naumburger Str. durch Errichtung von Einfriedungen und Pförtnerhäuschen (Genehmigung am 28.02.1953) vor: Zum einen in Höhe des Wohnhauses Naumburger Str. 30 (1956 erweitert) und zum anderen in Höhe der Naumburger Str. Nr. 25 (Fotos aus dem Jahre 1953 zeigen in Blickrichtung von der Straßenkreuzung in die Naumburger Str. nur das vordere Pförtnerhaus). Dadurch wurde öffentlicher Verkehrsraum Betriebsgelände zum internen Verkehr zwischen Werk I, II, und V. Mit diesen Bauten wurde auch das alte Pförtnerhaus, das zunächst im Bereich des Eisenlagers erhalten bleiben sollte, nebst Einfriedung überflüssig und wurde zusammen mit Schuppenbauten für den Neubau des Eisenlagers abgerissen. Weitere Um- oder Zubauten sind wohl nicht erfolgt; in den 1960/70er Jahren sind noch ein Bohrwerk sowie Säulendrehkräne errichtet, ferner ist eine Meisterstube mit Werkzeugausgabe in der mechanischen Werkstatt eingebaut worden.

Quellen:

  • Unterlagen im Sächs. Staatsarchiv Leipzig:
  • Schumann‘s Elektrizitätswerk: Handelsregisterakte (Bestand: 20124 Amtsgericht Leipzig, Signatur: HR-Akte1506, zuvor fol.8552), in diesem Bestand der firmengeschichtliche Bericht des Konkursverwalters Arthur Klarner v. 20.7.1932; Konkursverfahren 1932-36 (Signatur: 19316); Schriftverkehr zu Elektrifizierung von Nebenbetrieben der Leipziger Wollkämmerei 1928ff. (Bestand: 20928 Leipziger Wollkämmerei, Sign.: 0886).
  • Stahlbahnwerke Freudenstein & Co. AG: Registerband Nr. 07801-07900 (Bestand: 20124 Amtsgericht Leipzig, Signatur: 21074;), Registerband Nr. 10301-10400 (Bestand: eb., Signatur: 21099).
  • Reinhold Wünschmann: Handelsregisterakte (Bestand 20142, Sign. HRA 406); Unterlagen nach 1945-1973: Bestand 21047, Sign. 1810 u. 2340, Bestand 20242, Sign. 2545.
  • Amt für Bauordnung und Denkmalpflege der Stadt Leipzig, Bauaktenarchiv, Bauakten Gießerstr. 27 (Brandkataster-Nr. 100B, Flurstück 326l bzw. 326/5), Bd. I-VIII, 1897-1990 (II: Dampfkesselanlage, 1897-1937), VIII-X Umbau für Spreadshirt 2007-2008, X,1-11 Statik (2007-2008).
  • Adressbücher der Stadt Leipzig sowie der Vororte vor ihrer Eingemeindung s. www.sachsendigital.de (zuletzt aufgerufen im Okt. 2020). Werbe-Beilagen in den Adressbüchern 1903, 1907 (S. 45), 1909 (S. 45; Abb. der Montagehalle, im Bildtitel als Schumann‘s Elektrizitätswerk bezeichnet)
  • Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen (Hg.), Verzeichnis Leipziger Straßennamen, 2018 (online, pdf)
  • Hans Rückert, Leipziger Industrie. Amtliches Firmen- und Bezugsquellenverzeichnis, Verkehrsamt d. Stadt Leipzig, 1946, Nr. 355, S. 54

Fotografische Dokumente:

  • Deutsche Fotothek, Neg. Nr. 0006478_019 (ca. 1953); Bundesarchiv, Bild 183-21247-0008 und 183-21247-0011, Leipzig, SAG Kirow –Werke (beide 14.9.1953, Foto: Illner), zuletzt eingesehen Okt. 2020.
  • Ruth Teubner (Red.), Kleinzschocher. Geschichte und Geschichten aus dem Leipziger Stadtteil Kleinzschocher, Interessengemeinschaft Buch Kleinzschocher, Leipzig [2009], S. 133

Karten:

  • Leipzig und seine Bauten. Zur 10. Wanderversammlung des Verbandes Deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine in Leipzig …, hg. von der Vereinigung Leipziger Architekten und Ingenieure, Verl. Gebhardt, Leipzig, 1892, Beilage: Karte.
  • Theodor Koch, 1888 – 1938. Leipziger Westend Baugesellschaft Leipzig. Zur 50. Wiederkehr ihres Gründungstages, Leipziger Westend-Baugesellschaft Leipzig-Lindenau, Lützner Str. 164, 1938, Karte (1900, aktualisiert): ‚Bahnhöfe und Industriegleise‘ (= Riedel S. 86f.)
  • Sabine Schneller, Hildtrud Ebert, Die Geschichte der Unternehmen der Kranunion. Hg. Kranunion GmbH & Co. KG., Leipzig, 2013, S. 148f.: Karte mit Eintragung der Vorgänger- und übernommenen Unternehmen des Kirow-Werks in Plagwitz und Lindenau.

Weiteres

 Sekundärliteratur:

  • Horst Riedel, Plagwitz. Ein Leipziger Stadtteillexikon, Pro Leipzig, 2017, 7 (Blick in die Werkhalle vor dem Umbau 2008), 227f. mit Abb. des Unternehmensgebäudes der Fa. ‚Spreadshirt‘ (2011)
  • Julia Susann Buhl, Studie zur Industriearchitektur in Leipzig Plagwitz 1870-1914 am Beispiel ausgewählter Bauten, Diss. TU Berlin, 2003, zu Unruh & Liebig S. 222-225, zu Werksstraßen S. 96, Abb. 169f. URL: http://edocs.tu-berlin.de/diss/2003/buhl_susann.pdf (kostenfrei zugänglich; zuletzt abgerufen am 12.02.2021)
  • zur Frühzeit der Fa., in der Wilhelm Mathiesen und Max Körting eine Zeit lang arbeiteten: Ulrich Krüger, Gabriele Leech-Anspach, Der Leipziger Unternehmer Max Körting und sein Werk, Sax-Verl., Beucha, 2007, S. 14ff.
  • Offizieller Katalog der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung zu Leipzig 1897. Im Auftrag des geschäftsführenden Ausschusses, bearb. v. Johannes Kleinpaul, Leipzig: Daube, 1897, Gruppe I S. 37 Nr. 391, Aussteller-Verz. S. 285. Der Ausstellungspavillon für die Firmen Nietzschmann und Wommer, in dem u.a. auch Schumann‘s Elektrizitätswerk vertreten war (s. eb. Grupppe IX, S. 141f.), ist von dem Architekten Paul Möbius (damals im Büro Händel & Franke tätig) entworfen worden, s. Website der Familie Wommer www.wommwomm.de/bauwerke/ausstellungspavillon-nietzschmann-wommer/ (zuletzt abgerufen 29.12.19).
  • Karl Juckenburg, Das Aufkommen der Großindustrie in Leipzig, Veit Verlag, Leipzig, 1913 (=Volkswirtschaftliche und wirtschafts-geschichtliche Abhandlungen, Folge 3, H. 2), im wirtschaftsstatistischen Zusammenhang finden Erwähnung Fa. Wünschmann (S. 43), Schumann‘s Elektrizitätswerk (S. 55)
  • Grundriss des für die Fa. umgebauten Areals s. https://www.homuth-architekten.de/portfolio-type/firmenzentrale-spreadshirt-leipzig (zuletzt abgerufen 3.2.2020), mit Pressemitteilungen.
  • Umbau durch Homuth + Partner: Stadt Leipzig, Dezernat Stadtentwicklung und Bau, Stadtplanungsamt, Geschäftsstelle Architekutrpreis (Hg.), Architekturpreis der Stadt Leipzig zur Förderung der Baukultur, 2011, Objekt 3. Dazu auch LVZ 14.10.2011
  • Zum ‚Haus der Elektrotechnik‘ auf dem Gelände der ehemaligen Internationalen Baufachausstellung bzw. ‚Alten Messe‘: Leipziger Messeamt (Hg.), Der Start in Leipzig. Die Bedeutung der Großen Technischen Messe und Baumesse Leipzig für die Fortschritte in Technik und Industrie, Essen: Girardet, 1940. S. 9. 257; Ulrich Krüger, Gabriele Leech-Anspach, a.O. S. 58 (mit Abb. des Gebäudes).
  • Zu Unruh & L. und Kirow-Werk s. auch Schneller, Hildtrud Ebert, a.O.

Autor: Richard Brüx

Dank gebührt Herrn Matthias Schulz, Mitarbeiter der CG-Gruppe, der mir den Zugang zum Bauaktenarchiv ermöglichte.

Datum: 03.11.2020

Abbildungen: Fotografien von Richard Brüx

Planskizze 1, 1897-ca. 1916 nach Bauakte Band I (Feb. 2020) fol. 3, 47, 54.

Planskizze 2, ca. 1916-1953 nach Bauakte Band I (Feb. 2020) fol. 127, II (Feb. 2020) fol. 5, 69, VI (Aug. 2020), fol. 57, 74

Die beiden schematischen Planskizzen orientieren sich insbesondere an verschiedenen Situationsplänen, die Momentaufnahmen der Bau- und Nutzungsgeschichte darstellen. Die Skizzen sind nicht maßstäblich angelegt und stellen lediglich Annäherungen an die tatsächlichen Proportionen der einzelnen Baulichkeiten und deren räumliches Verhältnis zueinander dar; auch sind weder die Einzelbauten noch das bebaute Gelände im Grundriss Rechtecke.




Weithas

Titel des Objekts: Eisengroßhandlung und Eisenbau C. F. Weithas, C. F. Weithas Nachfolger GmbH/KG (als OHG für 1918 bezeugt); VVB Eisenkontor Land Sachsen; Betriebsteil der Kirow-Werke

Adresse/Stadtteil:

  • 04229 Leipzig, OT Plagwitz, Gemarkung Kleinzschocher
  • nicht erhalten: Produktions- und Lagerareale an der Karl-Heine-Straße, Eisenhandlungen Neumarkt, Schlossgasse, Nonnenmühlgasse, Wächterstraße
  • Gießerstraße 29, Flurstück 302/20
  • Markranstädter Straße 8a, b, Flurstück 302/19, 302/20
  • Markranstädter Straße 8, Flurstück 932

Industriezweig/Branche/Kategorie: Eisengroßhandel, Eisenbau

Datierung: Gründung der Fa. C. F. Weithas 1817; 1852 C. F. Weithas Nachf.; 1885 Lindenauer Standort, 1895 Plagwitzer Standort

Objektgröße: ca. 7.000 m² (Buhl)

Bau- und Firmengeschichte: In „genauester Bekanntschaft mit den besten Eisenwerken” seiner Vaterstadt Schleiz errichtete Carl Friedrich Weithas (gest. 1856) 1817 am Neumarkt 14 eine Eisenhandlung, die dort mit wechselnden Standorten lange Zeit betrieben wurde. Das Unternehmen war in den 1820er-Jahren an der Herstellung einer Druckerpresse beteiligt.
1848 errichtete Weithas eine Maschinenwollkämmerei auf dem 1840 von ihm erworbenen Rittergut Mühlbach bei Wurzen und war durch einen Gesellschaftervertrag 1851 an der Wollkämmerei Bernhard Trinius & Co. in Eutritzsch bei Leipzig beteiligt.
1852 übereignete er seine Eisenhandlung Heinrich Moritz Bering und Conrad Alfred Thieme, die seitdem mit C. F. Weithas Nachfolger zeichneten. Über letzteren blieb dieses Geschäft unter den Namen Stahl- u. Gusseisen-, Schwarz-, Zink- u. Glanzblechhdlg. bzw. Handlung mit Stahl und Gusseisen, Stabeisen, Blechen und Trägern, Neumarkt 9, in den Händen der Familie Thieme (Conrad Alfred jun., 1918- ca. 1948 Conrad Herbert; ab 1933 heißt die Fa. Thieme & Co.).
C.F. Thieme sen. (gest. 1906) errichtete Filialen in Dresden (Hering & Kretzschmar) und Chemnitz (M. Schmieder & Co.) und neue Geschäftshäuser in Leipzig: 1869 Neumarkt 18, 1875 Schlossgasse 7-9 und 1899, vor Abriss der letztgenannten Bauten, die Geschäftsräume Nonnenmühlgasse 12 und Wächterstraße 12-14.
Nach Adressbüchern der Stadt Leipzig befand sich die Eisenhandlung in den 1930er-Jahren in der West- bzw. Hindenburgstraße 15 (Fr.-Ebert-Straße), Standort der Thieme-Villa Thiemes sen.; nach einem undatierten Warenkatalog war dort das Handels- und bautechnische Büro untergebracht, ein weiteres Büro befand sich In der Nonnenmühlgasse 12, Lager und Eisenbau wurden in der Markranstädter Straße 8 unterhalten. Thieme sen. unterhielt, wie es im „Gedenkblatt” pathetisch heißt „freundschaftliche” Geschäftsbeziehungen zu den Firmen M. J. Caro & Sohn und Eduard Lindner in Breslau sowie Jacob Ravené Söhne & Co., die sich 1910, zusammen mit zahlreichen Filialfirmen, zu denen auch die Fa. Weithas gehörte, zur Deutscher Eisenhandel AG zusammenschlossen. Laut Handelsregister war diese AG 1922-1933 Kommaditistin (Geschäftsbeziehungen bis in die 1940 Jahre), Weithas Nachf. also KG, mehrere Kommanditistinnen sind im Handelsregister 1935 eingetragen.
Nach Adressbüchern ist ab 1885 eine Zweigniederlassung (Trägerlager) sowie eine Verzinkerei und ein Wellblechwalzwerk in Lindenau, Albertstraße (Karl-Heine-Straße) 19 belegt (auch Handelsregister), wodurch das Unternehmen einen Produktionsbereich erhielt. In der Folgezeit ist dieser Betrieb mehrfach erweitert worden: Albertstraße 62, 62 und 64, ab 1894 schließlich Karl-Heine-Straße 86-88, in Nachbarschaft u.a. zu Meier & Weichelt und Rudolph Sack.
Der Betrieb beschäftigte 1892 80 Arbeiter, u.a. auch in einer Abteilung für Eisenkonstruktionen, war mit einer Dampfmaschine ausgestattet und hatte einen Gleisanschluss der Plagwitz-Lindenauer Industriebahn (nach Koch: Stammgleis PIII), die das von Karl-Heine- bis Aurelienstraße reichende Areal durchzog. Nach Riedel arbeitete Wilhelm Frosch 1885, nach seiner Ausbildung in Chemnitz, bei C. F. Weithas Nachf., war dort mit dem Aufbau einer Eisenkonstruktionsabteilung und Verzinkerei mit Wellblechwalzwerk beauftragt und hatte dann eine zeitlang die Gesamtleitung inne.
1889 gründete er zusammen mit dem Kaufmann Wilhelm Grohmann die Fa. Grohmann & Frosch, die das gleiche Produktionsprogramm hatte und damit, neben anderen Unternehmen, offenbar direkter Konkurrent gewesen ist.
Nach Adressbüchern siedelte sich das Unternehmen ab 1895, mit dem Bezug von Lagern und einer sog. Eisenbaufabrik in Plagwitz an (in Adressbüchern ist stets die Gemarkung Kleinzschocher angegeben), hier Markranstädter Straße 8 (zugehörig: Gießerstraße 29), dann auch auf der anderen Straßenseite gegenüber gelegen Nr. 15 und 17, ab 1906 zudem Nr. 19. Damit reagierte das Unternehmen offenbar auf die ausgeschöpfte Flächenexpansion am Lindenauer Standort, der an die Fa. Rudolph Sack überging. Noch auf einer Karte der Westend-Baugesellschaft aus dem Jahr 1900 (Koch) und auf einem Bebauungsplan von 1909 (Riedel) ist das Gelände der heute überlieferten Unternehmensansiedlung mit Ausnahme einer Eckbebauung Gießer-/Markranstädter Straße unbebaut.
Das Unternehmen war durch seine Eisenbauabteilung in der Lage, die für verschiedene Zwecke benötigten Bauten in Eigenregie zu errichten, nahm aber auch die Arbeit verschiedener Baumeister und Architekten in Anspruch. Auf diese Weise entstand in Plagwitz ab 1895 im Laufe der Zeit ein Konglomerat von Bauten verschiedener Funktion, Größe und Bauart, die zum Teil verändert oder auch wieder abgerissen wurden und insgesamt weniger als 50% der Gesamtfläche einnahmen. Diesen Gebäudebestand hat Buhl unter Heranziehung der Bauakten in chronologischer Abfolge kurz beschrieben, Orientierung gebende Pläne fehlen (die überlieferten Bauten müssten auf Grundlage von Unterlagen im Bauaktenarchiv Leipzig einer eingehenden Untersuchung unterzogen werden):
Eine erste, freitragende Wellblechhalle ist 1895/96 im hinteren Grundstücksteil, eine Werkstatt 1899/1900 Gießer-/Ecke Markranstädter Straße errichtet worden; die ursprüngliche, heute in der Halle liegende Außenwand der „Werkstatt” zeigt vermauerte kleinformatige Rundbogenfenster.
1905 folgte ein „Lokomobile-Schuppen” mit Schornstein, in den 1906 eine Elektrizitätsanlage eingebaut und eine Zeit lang betrieben wurde, weil das benachbarte Schumannsche Electrizitätswerk (Gießerstraße 27 / Naumburger Straße, heute Spreadshirt) seine Stromlieferung eingestellt hatte.
1910-12 wurde an der Gießerstraße 29 eine Montagehalle mit repräsentativer Fassade errichtet, die vielmals abgebildet und gewürdigt wurde. 1912/13 folgte ein Gebäude zur Unterbringung von in der Fabrik tätigen Meistern und Gesellen, 1928 eine Wellblechbaracke für Arbeiter und ein Arbeiterwohlfahrtsgebäude. Die Unternehmensverwaltung befand sich in einem bereits vorhandenem (?), ca. 1890 errichteten Bau mit Klinkerfassade an der Markranstädter Straße 8 (heute Egenberger-Lebensmittel); das Grundstück war 1918 in das Eigentum der Firma übergegangen. Dieses Bürogebäude wurde im Zusammenhang mit der teilweise überdachten Verlängerung der Montagehalle durch einen Hallenanbau (4.700m²) mit Kranbahn 1936 (heute Jump-House) umgestaltet. Zudem ist 1944 auf diesem rückwärtigen Firmenareal ein Lohnbürobau errichtet worden.
Der Plagwitzer Betrieb konnte zwei Gleisanschlüsse an den Plagwitzer Bahnhof nutzen (Stammgleis PXII, Anschluss 33 und PVII/A 38), ein Gleisstück ist in der Hofeinfahrt (Gießerstraße) erhalten geblieben; in den 1930er-Jahren verfügte das Unternehmen vor Ort über fünf Krananlagen.

Das Unternehmen C. F. Weithas Nachf. war ein traditionsreiches Leipziger Familienunternehmen, das bis ca. 1930 gewachsen zu sein scheint und nicht zuletzt durch C. A. Thieme, der u.a. Präsident der IHK gewesen ist, eine beachtliche Bedeutung im mitteldeutschen Eisenhandel erlangte.
Die Herkunft der Familie Thieme ist bereits im „Gedenkblatt” skizziert worden; C. A. Thieme ist als Kunstsammler bereits Gegenstand von Nachforschungen geworden, ein anderes Familienmitglied, Ulrich Thieme, war Begründer des überaus bedeutenden Künstlerlexikons; erneute familiengeschichtliche Forschungen erscheinen lohnend. Ein Katalog der durch das Unternehmen ausgeführten Bauten und Anlagen fehlt bislang. So hat die Fa. z.B. in Lindenau Gleisbauten für Meier & Weichelt und 1922 eine 600 Meter lange und 30 Meter hohe Förderbrücke für die Gewerkschaft Morgenstern in Zwickau errichtet. Zum Warensortiment haben auch Bausätze, wie Blech-Garagen gehört.
Der Krieg hatte auch Folgen für die Fa. Weithas: Das Betriebsarchiv ist größtenteils vernichtet worden, und eine Karte von 1946 dokumentiert Kriegseinwirkungen. Demnach ist das bebaute Gelände an der Karl-Heine-Straße wie auch an der Gießerstraße 29/Markranstädter Straße 8 nur teilweise im Mitleidenschaft gezogen worden; die Bebauung der Grundstücke in der Schloss- und Nonnenmühlgasse, Wächter- Fr.-Ebert- und Markranstädter Straße 15 und 17 ist nicht erhalten geblieben, das gleiche gilt für die Standorte am Neumarkt. Das Lindenauer Areal ist heute eine Brache.
1946 ging der Anteil der Deutschen Eisenhandels AG an der Fa. Weithas in Volkseigentum über. Der letzte Adressbucheintrag für die Eisengroßhandlung Weithas Nachf. (Markranstädter Straße 8) datiert 1948. 1948 bis ca. 1950 ist C. F. Weithas Nachf. in den VVB Eisenkontor Leipzig, Land Sachsen, übergegangen. Das Unternehmen beschäftigte ca. 1947/48 im Handel und im Stahlbau insgesamt 100-115 Personen. Mit dem Ende der Geschäftsbeziehungen zu Stahllieferanten in den westlichen Besatzungszonen ist der Großhandel in der SBZ über die Deutsche Handelszentrale Metallurgie abgewickelt worden, die an einer Werkhalle (1919) der ehm. Stahlwerke Röchling-Buderus (Sächsische Edelstahl Härtereien; Schomburgkstraße 1) inschriftlich noch bezeugt ist. Nach 1950 wurde das bebaute Gelände, wie benachbarte Grundstücke Gießer- und Naumburger Straße dem VEB Schwermaschinenbau S. M. Kirow (im Kombinat TAKRAF) inkorporiert. 1950/51 sind im Auftrag des VVB ABUS/Leipziger Stahlbau und Verzinkerei, Werk III für das Gelände Markranstädter Straße 17 Umbauten bestehender Materialschuppen zu einem Speiseraum, in Nr. 8 eines Teils eines Materiallagers zu Unterrichtsräumen/Lehrwerkstatt projektiert worden; gleichzeitig auch ein Neubau von Räumen, die die an der Gießerstraße gelegene Halle auf deren Nordseite flankieren, der aber nicht zur Ausführung gekommen ist. – Nach 1990 gelangte der Betrieb und mit ihm weitere große Plagwitzer Areale über die Treuhand-Anstalt in den Besitz des Investors Manfred Rübesam.

Heutige Nutzung: Bauliche Schäden an der Montagehalle wurden 1997 behoben, weitere Sanierungsarbeiten erfolgten nach 2008. Nach verschiedenen Nutzungen wird die Hallenerweiterung nach Sanierung und Umbau seit 2017 als Jump-House genutzt (im Besitz der CG-Gruppe). Der derzeitige Besitzer der an der Gießerstraße gelegenen Halle nutzt das rückwärtige Areal als Lager und KfZ-Werkstatt, der vordere Hallenteil ist an den Mütterzentrum e.V. vermietet, der dort seit Juni 2016 unter dem Namen Restlos ein kreatives Upcycling-Projekt betreibt.

Objektbeschreibung (Bauten an Gießer- und Markranstädter Straße): Besondere Aufmerksamkeit hat vor allem die repräsentative Fassade der Montagehalle an der Gießerstraße erfahren. Charakteristisch sind zum einen die massive Ziegelbauweise, die symmetrische Gliederung, die das Fassadenzentrum artikulierenden großflächigen rundbogigen Fenster (das mittlere ist in seiner Größe hervorgehoben) mit gusseiserner Vergitterung und kleinteiliger Verglasung (die zu öffnenden schmiedeeisernen (?) Fenstereinbauten und die entsprechende Mechanik sind funktionstüchtig erhalten), zum anderen der geschwungene Giebel mit kreisrunder Öffnung zur Hallenbelüftung (original?) und dem Namenszug der Firma, ferner die sparsame Verwendung von Werkstein und Ziegeln als Dekorelemente. Der an den Bautyp einer Basilika erinnernde Aufbau der Halle und die funktionale Differenzierung der Räume werden im Außenbau formal nachvollziehbar: das „Mittelschiff” (Montagehalle; zentrale Fenstergruppe) besteht hier aus im Schnitt spitzwinkligem Oberlicht mit an anschließenden flachgeneigten Pultdächern und „Obergaden” (Fenster nur auf der Südseite, vermauert) und niedrigeren Seitenschiffen (Werkstatträume). In dieser Eigenart liegt auch die konservative Außenwirkung dieses mit modernen Materialien und Baustoffen errichteten Bauwerks. Die südlich vorgelagerten Baulichkeiten wurden, zusammen mit ursprünglichen Werkstatt Ecke Markranstädter Straße, durch Überdachungen einbezogen. Auf der Hallennordseite könnte ebenfalls ein dem Seitenschiff vorgelagerter Bautrakt bestanden haben.
Die heutige Baugestalt der Fassade zeigt hier eine Aufmauerung und ein offenbar nachträglich eingerichtetes Tor, die die Symmetrie der Fassade zerstören; diese Veränderung stand vielleicht im Zusammenhang mit einer anschlusslos erhaltenen Gebäudebrücke. Im Inneren der Halle sind die genieteten Eisenkonstruktionen vor den Mittelschiffswänden und Kranfahrt mit Kran (aus jüngerer Zeit) erhalten geblieben. Boden und Gleise für eine weitere Kranfahrt (?) sind nach Auskunft heutiger Nutzer 2016 unter einem Estrichauftrag verschwunden. Die Ostwand der Halle war bis zum Bau einer unmittelbar anschließenden zweiten Halle die rückwärtige Außenwand, der eine untergeordnete repräsentative Funktion zukam und die in einigen Details mit der Westfassade übereinstimmt. Sie ist im Zuge der Hallenerweiterung der 1930er-Jahre verbreitert und erhöht, auch später mehrfach verändert worden (alle Öffnungen sind heute vermauert) und als Westwand des Jump-House erhalten geblieben. Im Bereich des Mittelschiffes flankierten zwei rundbogige Fenster eine größere Öffnung (Hallentor?). Der dreieckige Giebel darüber ist mit einem runden größerem und zwei weiteren kleineren Rundfenstern (mit guss- bzw. schmiedeeiserner Gliederung) ausgestattet. Die östlichen Seitenschiffswände enthielten wie in der Westwand je zwei rundbogige Öffnungen (Türen?). Die Schlusssteine der rundbogigen Öffnungen bestehen wie das Gesims des Mittelschiffgiebels aus Werkstein. Dem Giebel schließen Pultdächer mit geringer Neigung an, die im Außenbau hinter einer gerade geführten Aufmauerung liegen. Der obere Abschluss der Seitenschiffe war, wie der Befund der Fassadensüdseite (Jump-House) zeigt, durch zwei Aufstufungen charakterisiert, das Traufgesims (?) besteht hier aus zwei Faszien, Werkstein wurde nicht verwendet. Stützen und Bedachung des Hallenanbaus scheinen original erhalten zu sein, lediglich die äußere Verkleidung und Verglasung der Oberlichter sind im Zusammenhang mit Einrichtung der gegenwärtigen Nutzung erneuert worden. Die zweischiffigen, mit spitzwinkligen Oberlichtern ausgestattete Halle folgt nicht der Mittelachse der älteren Halle.
Die Außenwände der der Halle seitlich vorgelagerten Gebäudetrakte sowie die Gebäudebrücke sind hingegen als Eisenkonstruktion mit Ziegelausfachung und hauptsächlich gusseisernen Fenstern in modularer Bauweise errichtet worden. Das Ziegelmauerwerk des gesamten Traktes entlang der Markranstädter Straße (Nr. 8 einbeziehend und bis an Nr. 6 heranreichend) ist mit Ausnahme einiger oberer Partien erneuert worden.

Quellen/Literatur/Links; Nachweise:

  • Quellen:
  • www.bundesarchiv.de : Weithas, C.F. KG, Nachfolger, Leipzig: Bd. 2, Archivaliensignatur: BArch, R 8135/3580 (enth.: Jahresabschluss zum 31. Dez. 1933)
  • Amtsgericht Leipzig, Handelsregister-Nr. HRB 21491 (Online-HR-Nr.: C-3295259), C. F. Weithas Nachfolger GmbH, Online-Handelsregisterauszug: https://www.online-handelsregister.de/handelsregisterauszug/ , abgerufen 20.3.2019: Löschung des Handelsregisters wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen vom 12.08.2010 (sic).
  • Sächsisches Staatsarchiv Leipzig: kein Firmenschriftgutbestand, Unterlagen zum Unternehmen seit 1862, u.a.: Reg. fol. 6267 (1858 Niederlassung Lindenau, Register mit Eingemeindungs Lindenaus 1902 geschlossen, Akten 1950 vernichtet). 2. Reg. fol. 112 1862-1938 (1933 Thieme & Co.; ab 1938 HRA 172). 3. Akte 0886, enth. u.a.: Inventarisierung 1945, Bemühungen C. H. Thiemes (Fachberater Kreis-IHK Nordwestsachsen) um erneuten Geschäftssaufbau, VVB Eisenkontor Land Sachsen 1948, Auszüge HR: 1946 Volkseigentum, Eintrag hinsichtlich Firmenlöschung am 27. 5. 1949 in Folge des Ersuchens der Landesreg. Sachsen gestrichen, Firmenmitteilung über kriegsbedingten Verlust des Betriebsarchivs. 4. Akte 1843, Mappe 5: Unternehmensprofil 1940er Jahre. 5. Akte 0501 Vermessungsunterlagen, Lagepläne, Neubauentwurf für Markranstädter Str. 8 und 17, 1950/51. 6. Akte 562 juristische Auseinandersetzung Fa. Weithas gegen ihren ehem. Leiter der Bauabt. Max Prüstel wegen Tantiemenrückzahlung. 7. Akten 227, 228 enth. weniges Katalogmaterial der Fa. Weithas.
  • Das ‚Leipziger Adreß-Buch unter Benutzung amtlicher Quellen‘, mit einem ‚Verzeichnis der Einwohner der angeschlossenen Vororte…‘ und einem Handelsregister ist ab 1830 erschienen und verzeichnet Personen ab 1846, regelmäßig ab 1854 (s. www.sachsendigital.de).
  • Christoph Kaufmann, Wolfgang G. Schröter, Der gläserene Schatz. Leipzig in Fotografien aus dem Atelier Hermann Walter, o.J. [2002], S. 39, 76 (Schloßgasse 7-9)
  • Bauacten des Rathes der Stadt Leipzig im Bauaktenarchiv des Bauordnungsamtes der Stadt Leipzig ab 1895 (zit. Buhl).
  • div., von Fa. ausgestellte Rechnungen: online (1902, 1941)
  • Firmenschrift, C[hristian] Hoffmann’s Buchdrucker-Presse von Gußeisen. Mit 1 Kupf.-Taf. Beschrieben von C[hristian] Hoffmann u. C. F. Weithas, Unternehmern des Baues dieser Pressen: [S.l.] : [s.n.], Leipzig (Druck): J. B. Hirschfeld, 1826, 10 S.
  • dass., Gedenkblatt zur Erinnerung an die 100-jährige Wiederkehr des Gründungstages der Firma “C. F. Weithas” 1817 – 1917, Leipzig: Edelmann, 1917, 3 S. (Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Bibliothek)
  • dass. , Angebotskatalog C. F. W [C. F. Weithas Nachfolger], Eisengroßhandlung – Eisenbaufabrik, Ausgabe 1929 (20.3.19 antiquarisch nachgewiesen)
  • dass., ohne Ort u. Jahr, Abb. S. 87: Förderbrücke Zwickau
  • dass., Angebotskatalog, Lagerverzeichnisse / Profil-Zeichnungen / Gewichtstafeln – Ausgabe 1913, mit Filialen: Hering & Kretzschmar, Dresden; M. Schmieder & Co., Chemnitz. (20.3.19 antiquarisch nachgewiesen)
  • dass., [Erzeugnisliste Eisen und Bleche], C F Weithas, [ca. 1925] (20.3.19 antiquarisch nachgewiesen)
  • Dokumentationen:
  • Landesamt für Denkmalpflege, Dresden: Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen –Denkmaldokument Obj.-Dok.-Nr. 09264074 (Gießerstr. 29 und Markranstädter Str. 8b), 09299011 (Markranstädter Str. 8), 09262777 (Plagwitz-Lindenauer Industriebahn); abgerufen 19. 3. 19 (Stand vom 18. 3. 2019)
  • Liste der Gleisanschlüsse des Bahnhofes, Wikipediaeintrag vom 13. 2. 2018 (abgerufen 3/2018)
  • Foto Gießerstr. 29 (undatiert, ca. 2000er Jahre): https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/ abgerufen 20.3.19
  • SED, Kreis Leipzig (Hg.), Leipzig gestern – heute – morgen. Ein Atlas, 1946, S. 6f., 8f. (Kriegsschäden dokumentierende Karte); entspricht Riedel, S. 156f. (Ausschnitt)
  • Straßenverzeichnis mit Erläuterungen der Straßennamen (pdf): https://www.leipzig.de/buergerservice-und-verwaltung/unsere-stadt/gebietsgliederung-und-strassennamen/strassennamen/
  • Sekundärliteratur:
  • Alfred Thieme, Wikipedia vom 5.8.18, abgerufen 20.3.19. Zum ihm auch Gedenkblatt a.O.
  • Lindenauer Standort: Leipzig und seine Bauten. Zur 10. Wanderversammlung des Verbandes Deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine in Leipzig …, hg. von der Vereinigung Leipziger Architekten und Ingenieure: Leipzig : Gebhardt: 1892, S. 755, 756 (Plan), Beilage: Karte. Riedel a.O. S. 243 (Karte von 1885)
  • Theodor Koch, 1888 – 1938. Leipziger Westend Baugesellschaft Leipzig. Zur 5o. Wiederkehr ihres Gründungstages: Leipzig [-Lindenau, Lützner Str. 164]: Leipziger Westend-Baugesellschaft: 1938, Karte (1900, aktualisiert): ‚Bahnhöfe und Industriegleise‘ (= Riedel S. 86f.)
  • Georg Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen II, bearb. von Heinrich Magirius et al., 1998, S. 601 (Gießerstr. 29)
  • Peter Guth, Ulrich Heß, Ulrich Krüger, Industriearchitektur in Leipzig. Fotografien v. Hans-Christian Schink, 1998, S. 66f., Abb. 13 (zwischen 1992 und 1997)
  • Julia Susann Buhl, Studie zur Industriearchitektur in Leipzig Plagwitz 1870-1914 am Beispiel ausgewählter Bauten, Diss. TU Berlin, 2003. URL: http://edocs.tu-berlin.de/diss/2003/buhl_susann.pdf (kostenfrei zugänglich; abgerufen 5/2018), S. 89, 99, 132f., 242-246, Abb. 86 (benachbartes Firmengelände Fa. Törpsch ca. 1913), Abb. 87 (Schnitt und Aufriß der Werkhalle an der Gießerstr.), Abb. 143 (Entwurfszeichnungen für dieses Bauwerk), Abb. 87/144 (Schnitt), Abb. 248 (Foto 2001)
  • Plagwitz. Eine historische und städtebauliche Studie, Pro Leipzig: Leipzig, 2008, Abb. S. 62 (2008)
  • Horst Riedel, Plagwitz. Ein Leipziger Stadtteillexikon, Pro Leipzig, 2017, 268 und 70 (Architekt), 71 (zu Wilhelm Frosch), 115 (‚Jump-House‘), 242f. (Karte, 1885), 272 (Karte, 1909)
  • Sebastian Ringel, Wie Leipzigs Innenstadt verschwunden ist. 150 verlorene Bauten aus 150 Jahren, Selbstverlag, 2018
  • Sabine Schneller, Hildtrud Ebert, Die Geschichte der Unternehmen der Kranunion. Hg. Kranunion GmbH & Co. KG., Leipzig, 2013, S. 148f.: die Karte zeigt u.a. die Expansion der Firmen Unruh & Liebig und Grohmann & Frosch, die später in den Kirow-Werken aufgingen, was mit weiteren Inkorporierungen einherging, s. auch S. 174ff.
  • Ausstellung ‚Betriebe an den Anschlußgleisen im Leipziger Westen‘ der Fa. Otto Stempel & Druck (Markranstädter Str. 6) anläßlicher der 6. Tage der Industriekultur Leipzig
  • Wolfgang Hocquél (Kulturstiftung Leipzig), Fenster in Leipziger Industriebauten im Stadtteil Plagwitz, in: Dr. Ivo-Andreas Piotrowicz (Red.), PaX-Classic-Fachtagung ‚Fenster im Baudenkmal‘ zur Denkmal[messe] 2008, Tagungsbeiträge vom 21. und 22. November 2008, Berlin: Lukas-Verl.: 2010, S. 81ff., bes. 87 mit Abb. 15, 16

Autor: Richard Brüx

Datum: 27.08.2019

Abbildungen: Richard Brüx, April 2019 – von Nord nach Süd aufeinanderfolgende Baulichkeiten an Gießer- und Markranstädter Straße, von Westen aus fotografiert:

  1. Gebäudebrücke zwischen Gießerstraße 27 und 29
  2. Hallenfassade, nördlicher Teil
  3. Hallenfassade, zentraler und südlicher Teil, südlich anschließende Baulichkeiten
  4. Blick auf Bauensemble Gießer-/Markranstädter Straße, rechts im Hintergrund die Hallenerweiterung (Jump-House)
  5. Halleninneres, nach Westen
  6. Halleninneres, nach Osten
  7. Halleninneres nach Westen, Zustand 2016, nach Einbringung von Estrich
  8. Ostseite, Außenwand vor der Hallenerweiterung (heute Jump-House), Mitte und nördlicher Teil
  9. Ostseite, Außenwand vor der Hallenerweiterung (heute Jump-House), südlicher Teil
  10. Hallenerweiterung nach Westen



Stadtteilpark Plagwitz

Titel des Objekts:
EXPO-Stadtteilpark Plagwitz

Adresse:
Industriestraße, 04229 Leipzig

Stadtteil:
Plagwitz

Industriezweig/Branche/Kategorie:
Bahnhof/Güter/, Erholung/Freizeit

Kurzcharakteristik:
Zur EXPO 2000 war die Stadt Leipzig Außenstelle und hatte mehrere Ausstellungsobjekte, darunter den Stadtteilpark Plagwitz. Hier wurde gezeigt, wie eine ehemalige Industriebrache zu einem Stadtteilpark umgestaltet wurde – mit Integration industrieller Materialien, Schienen und Gebäuden.

Datierung:
2000

Objektgröße:
3.500 m²

Ursprüngliche Nutzung:
Verladebahnhof mit drei Anschlussgleisen für die Firmen, die sich kein eigenes Anschlussgleis nutzen konnten oder kein eigenes Anschlussgleis benötigten.

Heutige Nutzung:
Stadtteilpark mit Erhalt des Verladebahnhofs Nr. 1 als Vereinssitz des Wasser-Stadt-Leipzig e.V., Grünflächen mit Basketball- und Spielplatz. Erhaltung eines Teils der ehemaligen Anschlussgleise mit Umwidmung als Wege. Eine Aussichtsplattform aus Schienen und Holzschwellen zum Karl-Heine-Kanal hin. Zum jährlichen Leipziger Wasserfest findet hier das Piratendorf statt.

Bau- und Firmengeschichte:
Bis nach 1990 wurde noch der Verladebahnhof für die umliegenden kleinen Betriebe genutzt. Es gab drei Anschlussgleise, die vom Industriebahnhof Plagwitz-Lindenau ab 1879 abzweigten. Betrieben wurden sie von 15 Werks- und Verbindungsbahnen. Im Jahr 1998 fand ein Planungswettbewerb statt. Ein Jahr später erfolgte der Abbruch maroder und nicht mehr genutzter Gebäude und im selben Jahr der Ausbau der Industriestraße, die vorher noch von Kopfsteinpflaster geprägt war. Von 1997 bis 2000 fanden der Flächenerwerb und die Umgestaltung zum Stadtteilpark statt. Der Park erhielt 2001 den Leipziger Architekturpreis.

Objektbeschreibung:
Die Anlage, die sich zwischen Gießerstraße, Industriestraße und Karl-Heine-Kanal befand, hatte drei Anschlussgleise. Weiter in Richtung König-Johann-Brücke (Zschochersche Straße) führte die Plagwitz-Connewitzer Verbindungsbahn. Für die Weltausstellung „EXPO 2000“ in Deutschland wurde aus der ehemaligen Industriebrache eine Grünfläche mit Freizeitaktivitäten entwickelt. Ein Großteil der Anschlussgleise wurde erhalten und in Wegeverbindungen umgebaut. Erhalten wurde auch das Verladehaus Nr. 1, das heute Vereinssitz des Wasser-Stadt-Leipzig e.V. ist. Zum Tatbestand der Erhaltung war noch nicht klar, wer künftig das Häuschen nutzen könnte, jedoch wollte man es unbedingt aufbewahren und ging damit ein Risiko bei der Unterstützung von Fördermitteln ein. Es entstanden große Grünflächen, ein Basketball- und Spielplatz sowie Sitzflächen. Über den Karl-Heine-Kanal, in Höhe Stelzenhaus, wurde eine Brücke, der Karl-Heine-Bogen, errichtet, der den Kanaluferweg mit dem Stadtteilpark verbindet.

Quellen/Literatur/Links:
www.regio-schiene.de (Poträts > Anschlussgleise)
Literatur: Verbindungsbahn Connewitz-Plagwitz, Böhlitzer Hefte, Anne Tienelt/Frank Baacke, 2015

Autor:
Dave Tarassow

Datum:
22.11.2017

Abbildungen:
Dave Tarassow




Bahnhof Plagwitz

Titel des Objekts:

Bf. Leipzig-Plagwitz

Adresse:

Engertstraße 36 , 04229 Leipzig

Stadtteil:

Leipzig-Plagwitz

Industriezweig/Branche/Kategorie:

Verkehrswesen/Eisenbahn

Kurzcharakteristik:

ehemals der erste Industriebahnhof Europas mit Doppelung der Bahnbetriebswerke und Empfangsgebäude durch die damaligen Eisenbahnverwaltungen, heute Haltepunkt der S-Bahn Mitteldeutschland (S1) und Halt für Regionalbahnen, parkähnlicher Bürgerbahnhof mit Spiel-und Freizeitmöglichkeiten auf ehemaligen Bahngelände im Aufbau.

Datierung:

Eröffnung am 20.Oktober 1873

Objektgröße:

Empfangsgebäude und ca. 50 Hektar Bahngelände

Ursprüngliche Nutzung:

wichtiger Güterbahnhof zur Versorgung der Plagwitzer Industriebetriebe Durchgangsbahnhof und Ausgangspunkt verschiedener Strecken sowie umfangreicher Anschlussbahnen

Heutige Nutzung:

Trennungsbahnhof, Personenverkehr auf folgenden Strecken:

Leipzig-Leutzsch-Gera-Saalfeld, bedient von der Erfurter Bahn

Leipzig-Plagwitz-Miltitzer Allee, bedient von der S1 S-Bahn Mitteldeutschland

Leipzig-Plagwitz-Gaschwitz, kein regelmäßiger Personenverkehr, dient als Umleitungstrecke für den City-Tunnel Leipzig

Im Empfangsgebäude befindet sich noch ein Restaurant und in den angrenzenden Güterschuppen einige Firmen. Die 6 vorhandenen Stellwerke wurden 2011 durch ein elektronisches Stellwerk ESTW-A ersetzt und teilweise abgebrochen. Im preußischen Lokschuppen hat das Eisenbahnmuseum Leipzig seinen Sitz und veranstaltet Sonderfahrten und 2mal im Jahr die „Leipziger Eisenbahntage“. Der sächsische Rundlokschuppen ist ohne Drehscheibe und Gleisanbindung noch vorhanden und wird gewerblich genutzt. Vom Eisenbahnbetrieb freigegebene Flächen werden stückweise als „Bürgerbahnhof Plagwitz“ einer Freizeitnutzung zugeführt und entsprechend umgestaltet.

Bau- und Firmengeschichte:

Als am 11.11.1871 für die Strecke Leipzig-Pegau-Zeitz auf dem Gelände des heutigen Bf. Plagwitz der erste Spatenstich erfolgte, konnte noch keiner ahnen, was sich hier mal für ein wichtiger Güterknoten entwickeln sollte. Die erste Lokomotive erreichte Plagwitz am 08.03.1873 während einer Probefahrt vom damaligen Barneck, heute Bf. Leipzig-Leutzsch. Mit der Streckeneröffnung Leipzig-Gera-Saalfeld am 20.10.1873 durch die Thüringer Eisenbahn wurde in Plagwitz der erste Bahnhof in Betrieb genommen und kurze Zeit später entstand der erste Industriebahnhof Europas.

Karl Heine, ein bekannter Leipziger Industriepionier, bemühte sich um einen „Gleisanschlussvertrag“ mit der damaligen Preußischen Staatseisenbahn. So konnten die ersten Anschlussgleise und Ladestellen für die Plagwitzer Firmen errichtet werden. Der direkte Gleisanschluss für Betriebe war damals revolutionär. So konnte zum Beispiel Kohle für die Dampfmaschinen gleich bis in die Fabriken gelangen und deren Fertigprodukte direkt versandt werden. Kleinere Unternehmen ohne eigenen Gleisanschluss nutzten die Ladestellen für An- und Abfuhr ihrer Grundstoffe und Produkte. Ein Jahr später, also 1874, sollen bereits 37 Firmen über die Eisenbahn erreichbar gewesen sein und ein „Transport-Comptoir“ – heute simpel Büro genannt – regelte den Betriebsablauf der Anschlussbahnen. Am 01.09.1879 wurde die Strecke Plagwitz-Gaschwitz von der Sächsischen-Staatseisenbahn auf Betreiben von Karl Heine in Betrieb genommen. So erhielt Plagwitz ein zweites, sächsisches Empfangsgebäude mit der Bezeichnung „Plagwitz-Lindenau Sächsischer Staatsbahnhof“. In diesem Bahnhofsteil, später auch als „Karl-Heine-Bahnhof“ bezeichnet, wurde bis 1920 auch Personenverkehr abgewickelt. Ein wichtiger Grund für den Bau der Bahn war der Vorteil für die Industrie. Sie profitierte von gesunkenen Frachtgebühren für Kohle aus der Zwickauer Steinkohleregion, die über die Sächsische-Bayerische Staatseisenbahn nach Leipzig gelangte. Das Gleisnetz musste umfangreich erweitert werden und dabei entstand auch die noch heute als Gebäude vorhandene Ladestelle I an der Industriestraße. Das Netz der Anschlussbahnen geht am 1. April 1886 durch Kauf an den Sächsischen Staat über. Es kommt zur Errichtung weiterer Ladestellen: Ladestelle II Gleisstraße, Ladestelle III Guths-Muths-Straße.

Ab 1886 erfolgt im Gleisnetz der Anschlussbahnen der Betrieb mit Lokomotiven, vorher bewegten Pferde die Wagen. In den Jahren 1886/87 werden erneut Erweiterungen der Gleisanlagen vorgenommen. Ein wichtiger Schritt war 1887/88 der Bau der „Verbindungsbahn“ nach Connewitz, deren Reste wie Bahndämme oder Fragmente von Brückenwiderlagern noch heute erkennbar sind.

Am 17. September 1888 geht diese Strecke in Betrieb und bietet der expandierenden Industrie von Plagwitz spürbare Vorteile. So verkürzt sich die Streckenlänge zur Sächsisch-Bayerischen Staatseisenbahn gegenüber der Bahn über Gaschwitz und damit sinken auch Fahrzeit und Frachtgebühren. 1897 wird die Strecke nach Lützen, die im folgenden Jahr Pörsten erreicht, in Betrieb genommen. 1899 ist Plagwitz der größte Güterbahnhof Leipzigs. Im Jahre 1907 wird die Strecke vom Gaschwitz in den preußischen Bahnhofsteil eingebunden. Dieser Bahnhofsteil wurde dann auch als „Zeitzer Bahnhof“ bezeichnet. Nach Gründung der Deutschen Reichsbahn im Jahre 1920 wurden beide Plagwitzer Bahnhöfe zusammengefasst und der Personenverkehr im ehemals preußischen Bahnhofsteil konzentriert.

Bis 1922 hieß der ehemals sächsische Bahnhofsteil „Plagwitz-Lindenau-Industriebahnhof“. Ab 1922 als „Leipzig-Plagwitz-Industriebahnhof“ bezeichnet. 1925 kommt es zur Einstellung des Verkehrs auf der „Verbindungsbahn“ nach Connewitz. Nachdem in Leipzig im Zusammenhang mit dem Bau des Hauptbahnhofes ein leistungsfähiger Güterring entstanden ist, wurde diese eingleisige Verbindung nicht mehr benötigt und ab ca. 1930 zurückgebaut. Am 12.07.1969 wurde Leipzig-Plagwitz ein Haltepunkt der an diesem Tag in Betrieb genommen Leipziger S-Bahn. In den 1970er Jahren kam der Haltepunkt „Schwarzestraße“ an der Strecke nach Gaschwitz für den S-Bahn Verkehr hinzu. Er befand sich noch im Bahnhofsbereich von Leipzig-Plagwitz und ist heute nicht mehr in Betrieb, da es auf der Strecke keinen fahrplanmäßigen Personenverkehr gibt. Zur Erschließung von Leipzig-Grünau wurde ab 25.09.1977 in Teilabschnitten eine völlig neue Strecke für den S-Bahn Verkehr errichtet. Der Endbahnhof von Leipzigs größter Plattenbausiedlung wurde am 01.12.1985 eröffnet und ist heute als „Miltitzer Allee“ Ziel der über Leipzig-Plagwitz verkehrenden S1.

Bis zur Wende waren die Gleisanlagen von Plagwitz völlig ausgelastet. Im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands und dem Wegbrechen der Industrie verlor der ehemals bedeutende Güterbahnhof Anfang der 1990er Jahre rasch seine Funktion und die Anschlussbahnen wurden nicht mehr bedient.

Einstellung der Strecke nach Pörsten nach Sanierung im Jahre 1994.

Eine Wildnis mitten in der Stadt begann sich auf den nun ungenutzten Gleisanlagen auszubreiten. Auch die baulichen Anlagen zeigten durch Vandalismus und Brandschäden ein trauriges Bild. Nach Rückbau und völliger Neutrassierung der Gleisanlagen ergab sich die Möglichkeit, das verlassene Gelände vom Eisenbahnbetrieb frei zu stellen und einen „Bürgerbahnhof-Plagwitz“ anzulegen. Neu angelegte Fuß- und Radwege verbinden nun Stadtteile und laden zu Freizeitbeschäftigungen im ehemaligen sächsischen Industrie- und Güterbahnhof ein. Auch konnte eine Einhausung vom ehemaligen Bahnsteig Plagwitz durch engagierte Bürger „gerettet“ werden und wurde als Unterstand neu aufgestellt. Weitere Fläche werden Parkähnlich gestaltet und ein urbaner Wald soll entstehen. Dieser neue Lebensraum soll diesem Stadtteil zu mehr Grün verhelfen sowie der Erholung dienen.

Ehemalige Zollschuppen, die der dortigen Straße ihren Namen gaben, wurden saniert und vor Jahren als Wohnungen umgebaut. So ist auch ein weiteres Gebäude im ehemals sächsischen Teil des Bahnhofs hergerichtet und trägt die Anschrift: „Güterabfertigung Leipzig-Plagwitz Versand“.

Objektbeschreibung:

Das Empfangsgebäude hat eine Ziegel-Putzfassade und auf der Straßenseite einen Turm (Treppenhaus). Es ist noch in einem recht guten baulichen Zustand.

Die beiden neu errichteten Längsbahnsteige bieten mit der fast völligen Graffiti-Bemalung leider keinen Ort, der zum Verweilen einlädt. Bahnhofsatmosphäre will bei dieser modernen Trostlosigkeit sicher nicht aufkommen.

Das Eisenbahnmuseum Leipzig im ehemaligen preußischen Lokschuppen verfügt über die letzte betriebsfähige Dampflok Leipzigs (Baureihe 52) und ein Besuch lohnt sich zu den Veranstaltungen mit wechselnden Themen und interessanten Gastfahrzeugen. Auch werden mehrfach im Jahr Sonderfahrten angeboten.

Der Bürgerbahnhof wird sich noch etablieren und bietet Spiel- plus Erholungsmöglichkeiten sowie Fuß- und Radwege. Nach Fertigstellung der Antonienbrücke wird es auch neue Wegeanbindungen geben, die Anwohner und Besucher ins Grüne führen. Relikte der ehemaligen Nutzung als großer Güterbahnhof werden dem aufmerksamen Betrachter vielleicht zum Nachdenken über diesen Ort der Industrie- und Verkehrsgeschichte anregen. Was war dort mal alles los? Wer hat dort bei Wind und Wetter gearbeitet? Was für Erzeugnisse gingen von hier in viele Teile der Welt?

Vielleicht gelingt dem derzeit notgesicherten „Kontorhäuschen“ aus dem Jahre 1890 auf der Straßenseite neben dem Bahnhof Plagwitz das Überleben. So könnte ein kleines Museum und Veranstaltungsraum von der bewegten Bahn-Vergangenheit in Leipzig-Plagwitz berichten.

Quellen/Literatur/Links:

Hans Joachim Kirsche, „Bahnland DDR“ transpress, VEB Verlag für Verkehrswesen Berlin, 1981

Daten zu Streckeneröffnungen

Eigene Kenntnisse

„Plagwitz- Eine historische und städtebauliche Studie“, Verlag: PRO LEIPZIG, 2008

Autor/in:

M. Mann

Datum:

07.10.2015

Abbildungen:

M.Mann + 30.03.2005




Könneritzbrücke

Könneritzbrücke
Plagwitz, Schleußig

Ernst-Mey-Straße
04229 Leipzig

Kurzcharakteristik:
Brücke über der Weißen Elster an der Karl-Heine-Villa zur Könneritzstraße (genietete Stahlkonstruktion)

Datierung:
1898 (Brücke)

Nutzung (ursprünglich)/Industriezweig/Branche:
Straßenbrücke

Bau- und Firmengeschichte:
Benannt wurde die Brücke nach dem in Paris geborenen Freiherrn Léonce-Robert von Könneritz, der 1876 Kreishauptmann in Leipzig und später sächsischer Finanzminister war. Dr. Karl Heine ließ im Zuge der baulichen Erschließung der westlichen Vororte im Jahre 1870 eine hölzerne Brücke als Vorgängerbau der heutigen Könneritzbrücke über der Weißen Elster errichten. Als Konstruktionsmaterial diente das Holz jener Brücke, die zuvor anstelle der heutigen Plagwitzer Brücke abgebrochen wurde.
Im Jahre 1898 genügte die Holzbrücke schließlich nicht mehr den Anforderungen und wurde durch eine damals moderne, genietete Stahlkonstruktion ersetzt. Seitdem verbindet die markante Stahlfachwerkbrücke über die Weiße Elster die Plagwitzer Ernst-Mey- mit der Schleußiger Könneritzstraße.
Im Zuge einer aufwendigen Sanierung im Jahre 2002 wurde die gesamte Konstruktion mit einem Spezialkran herausgehoben und an anderer Stelle überarbeitet. Als Fahrbahnplatte wurde eine neue orthotrope Platte in die Brücke eingebaut, die Unterbauten blieben jedoch erhalten.

Charakterisierung:
Konstruktion: Stahlfachwerkbrücke
Die Könneritzbrücke ist ein Relikt aus der Anfangszeit der Industrialisierung des Bauens und steht heute als technisches Denkmal unter Schutz. Signifikant ist ihre Fachwerkträger- und Bogenkonstruktion aus genieteten Stahlträgern.

Objektgröße:
Gesamtlänge: 31 m

Quellen und Literatur:
www.leipzig-lexikon.de
Hommage an eine Hundertjährige. In: Leipziger Blätter, Nr. 32. Leipzig 1998.
Stadtarchiv Leipzig (Hrsg.): Lexikon der Leipziger Straßennamen. Leipzig 1995.

Name Autor/in:
Juliane Gölzner

 

 




Eisenbahnbrücke, nahe der Elisabethbrücke

Titel des Objekts:
ehem. Eisenbahnbrücke / Riverboat

Ort:
Plagwitz
04229 Leipzig

Lage:
Nähe Elisabethbrücke

Kurzcharakteristik:
Eisenbahnbrücke eines Anschlussgleises über einen Verbindungsgraben zwischen Weißer Elster und Karl-Heine-Kanal

Datierung:
um 1880 (Eisenbahnbrücke)

Nutzung (ursprünglich)/Industriezweig/Branche:
Eisenbahnbrücke eines Anschlussgleises

Bau- und Firmengeschichte:
Die denkmalgeschützte Eisenbahnbrücke befindet sich zwischen der Nonnen- und der Alten Straße, ca. 70 Meter hinter der Kanaleinfahrt, nahe der Elisabethbrücke. Vormals führte sie als eingleisige Anschlussbahn zur ehemaligen Güterladestelle II sowie als Werksanschluss zu den Buntgarnwerken.
Von 2003 bis 2008 hatte die die MDR-Talkshow Riverboat hier ihr Domizil. Speziell für die Sendung des MDR-Fernsehens wurde durch den Leipziger Architekten Manfred Denda auf der alten Eisenbahnbrücke ein Studio in Form eines Bootes errichtet.

Charakterisierung:
Die Brücke ist zur Hälfte aus Bruchsteinen gebaut, die andere Hälfte besteht, aufgrund der großen Schräge, aus genieteten Vollwandstahlträgern.

Quellen und Literatur:
Sturm, Wolfram: Eisenbahnbrücken in und um Leipzig. Eine historische und städtebauliche Studie. Leipzig 1997.

Autor/in:
Juliane Gölzner

Bilder:
Michael Hartwich