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Blüthner Pianofortefabrik

Adressen:  Zentrum-West, Friedrich-Ebert-Straße 67
Leutzsch, Franz-Flemming-Straße 39
Ursprüngliche Firmenbezeichnung:
ab 1970:
seit 1990:
Julius Blüthner Pianofortefabrik
VEB Blüthner Pianos Leipzig
Julius Blüthner Pianofortefabrik GmbH
Datierung: ab 1853
Industriezweig/Branche: Herstellung von Musikinstrumenten,
Herstellung von Saiteninstrumenten mit Klaviatur
Objektgröße: in der Friedrich-Ebert-Straße: 55.000 m² Produktionsgesamtfläche (1928)
(nach anderen Quellen: 100.000 m²)
Heutige Nutzung (und Denkmalstatus):

Friedrich-Ebert-Straße 65-69

Käthe-Kollwitz-Straße 46
(ehem. Fabrikanten-Villa)

Franz-Flemming-Straße 39

Heutiger Standort der
Julius Blüthner Pianofortefabrik GmbH

Stadthafen Leipzig, Wohnhäuser
(Obj.-Id.-Nr.: 09291662 & 09291664)

Leerstand (Obj.-Id.-Nr.:  09290272)

Gewerbegebiet (Obj.-Id.-Nr.: 09291929)

Großpösna, Dechwitzer Straße 12

Bau- und Firmengeschichte:

Julius Ferdinand Blüthner beginnt am 7. November 1853 mit zunächst drei Mitarbeitern die Fertigung von Flügeln in einer gemieteten Werkstatt in der Westvorstadt, Ecke Plagwitzer Straße / Weststraße (heute Ecke Friedrich-Ebert-Straße / Käthe-Kollwitz-Straße). Zuvor lernte er als Tischler in einer Pianofabrik, stimmte und reparierte Klaviere und Pianos. Den ersten Flügel verkauft Julius Blüthner im Februar 1854. In den folgenden Monaten produziert die Firma einen Flügel pro Monat. Im selben Jahr erhält ein Blüthner-Flügel eine Auszeichnung und die Nachfrage steigt, so dass Blüthner 1855 bereits zehn Mitarbeiter hat.

Julius Blüthner geb. 11. März 1824 – gest. 13. April 1910 | Abb.: aus Festschrift: Julius Blüthner, Leipzig zur 75 jähr. Jubelfeier am 7. Nov. 1928. Leipzig 1928.

Blüthner entwickelt die „Blüthner-Patentmechanik“, eine neue Repetitionsmechanik, welche durch Einfachheit zu größtmöglicher Klangschönheit aber auch zu längerer Haltbarkeit führen soll. Diese Variation der Stoßzungenmechanik ohne Repetierschenkel, auch „englische Mechanik“ genannt, wird 1856 patentiert. Sie wird in den folgenden Jahrzehnten in vielen Flügeln, auch von anderen Instrumentenbauern, neben der herkömmlichen Doppelrepetitionsmechanik (mit Repetierschenkel) verwendet.

Frühe Erfolge

Ab 1860 steht ein Blüthner-Flügel im Gewandhaus und wird bespielt. Das 500. Instrument wird im Jahr 1862 fertiggestellt. Die gemieteten Räumlichkeiten sind bald zu klein, obwohl inzwischen auch die oberen Stockwerke mitbenutzt werden. Zwischen 1859 und 1864 kauft Julius Blüthner das Grundstück auf dem die Werkstatt liegt und baut eine Fabrik für bis zu 100 Arbeiter, deren Grundriss er selbst entwirft. Auf dem rechtsstehenden Grundriss sieht man die verschiedenen Grundstücke. Die Kennzeichnung der Gebäude finden sich teils in Klammern (z. B. [M]) im Text wieder.

1864 beginnt die industrielle Fertigung mit zunächst 37 Arbeitern, die sich jedoch schnell auf die eingeplanten 100 Mitarbeiter erhöhen.

Grundriss der Fabrik | Quelle: Oscar Laffert: K. S. Hof-Pianoforte-Fabrik von Julius Blüthner in Leipzig. Leipzig 1876.

Die Blüthner Fabrikate werden 1867 nicht nur auf der Weltausstellung in Paris, sondern auch auf der Industrieausstellung Chemnitz ausgezeichnet: „wegen vorzüglicher Ausführung seiner Flügel und Pianos besonders aber für selbstständige Construction der Flügel und vorzüglicher Spielart und Tonschönheit derselben“, so die Begründung. Die Ausstellungen bringen den Blüthner-Produkten große Aufmerksamkeit, die Nachfrage steigt.

Damit wird die Steigerung der Produktionszahlen notwendig, was wiederum zur mehrfachen Vergrößerung der Fabrikanlagen zwischen 1868 und 1870 führt sowie die Inbetriebnahme einer Dampfmaschine als Hauptantriebsquelle. Zur Fabrik gehört jetzt auch ein Holztrocken-Speicher [GI] mit mehreren Stockwerken, in dem die Hölzer nach mehrjähriger Lagerung im Freien als Vorbereitung auf die Verarbeitung sechs Monate gelagert werden. Die Fabrik beschäftigt inzwischen 300 Mitarbeiter. Das Fabrikgebäude wird um einen dritten Flügel erweitert sowie um ein Gebäude für eine große Säge zum Schneiden der Stämme und weiterer kleinerer Sägen. Zudem wird ein eigener „Concertsaal“ eingerichtet. Einige Werkstätten müssen im Laufe der Zeit ausgelagert und außerhalb des Fabrikgeländes untergebracht werden.

Die Neu-Entwicklung: Der Aliquot-Flügel

Mitte der 1870er Jahre entwickelt Julius Blüthner einen neuen Flügel-Typ, den Aliquot-Flügel. Das besondere ist die zusätzliche, gedämpfte Saite pro Ton, die eine Oktave höher gestimmt ist und ab der oberen Mittellage mitschwingt und damit die Hörbarkeit der Obertöne, Aliquoten genannt, verstärkt. So entsteht eine besondere Tonfülle und ein schöner Gesamtklang. 1876 meldet Blüthner das Patent an und entwickelt im Laufe der Jahre verschiedene Varianten dieses Typus.

Über eine Niederlassung in London und einem weltumspannenden Vertriebsnetz werden die Instrumente in immer größerer Anzahl vertrieben. Die Arbeiterzahl beträgt Mitte der 1870er Jahre über 800 Personen. Blüthner, ist ein Großbetrieb:

Abb.: Julius Blüthner, Heinrich Gretschel: Lehrbuch des Pianofortebaues.
Weimar 1872.

„Nicht aber im Sinne einer geisttötenden Mechanisierung, einer schablonenmäßigen Fließarbeit, einer entseelten Massenfabrikation O nein! Wo die Schaffensfreude der Mitarbeiter gefehlt hätte, da wäre gerade bei dem feindifferenzierten Klavierbau der Rückgang besiegelt gewesen. Die hier zusammenwirkenden Intelligenzen fordern einen gewissen Spielraum, den der kluge Fabrikherr nicht einschränkte.“

Festschrift zum 75jährigen Bestehen, 1928, S. 8

1888 baut Blüthner ein Sägewerk in Leutzsch in der heutigen Franz-Flemming-Straße mit angeschlossenem Holzlager für die benötigten Hölzer. So kann der wachsende Bedarf an zugeschnittenen Hölzern gedeckt werden. Das Stammwerk in der Plagwitzer Straße verfügt um 1890 nach mehreren Erweiterungen und Neubauten über eine Produktionsfläche von rund 55.000 m² – manche Quellen sprechen gar von 100.000 m². Die Arbeitsfläche wird innerhalb von 15 Jahren mehr als verdoppelt und Blüthners Pianofortefabrik zu einer der größten in Europa. Um die Jahrhundertwende hat die Firma rund 750 Mitarbeiter und die Jahresproduktion 1903 beträgt 3000 Stück.

Dampfsägewerk der Firma in Leutzsch
Dampfsägewerk der Firma in Leutzsch |
Quelle: Abb.: Festschrift: Julius Blüthner, Leipzig zur
75 jähr. Jubelfeier am 7. Nov. 1928. Leipzig 1928

Hofpianofortefabrikant

Blüthner beliefert die Aristokratie und namhafte Künstler dieser Zeit mit Instrumenten, sodass er 1865 den Titel „Hofpianofortefabrikanten – königlich-sächsischer Hofpianofabrikant des König Johann von Sachsen“ verliehen bekommt. 1870/71 erhält er die Anerkennung zum königlich-sächsischen Commerzienrath durch König Johann von Sachsen. Ab 1902 bringt die Firma Hupfeld aus Leipzig ein automatisches Klavier, auch Reproduktionsklavier genannt, ähnlich dem amerikanischen Pianola auf den Markt. Es heißt Phonola und Hupfeld wird damit in Deutschland und Europa Marktführer. Auch Blüthner-Flügel werden mit den Phonola Systemen von Hupfeld und anderen Fabrikanten ausgestattet

Firmengründer Julius Blüthner stirbt am 13. April 1910. Seine drei Söhne führen den Betrieb in Folge fort. Max Blüthner übernimmt die technische Leitung, Dr. Robert Blüthner die kaufmännische Leitung und Bruno Blüthner ist zuständig für die Produktion der Konzertflügel. Er übernimmt nach dem Tod seines Bruders Max 1919 die technische Leitung.

Auch an der Pianofabrikation bei Blüthner geht der Erste Weltkrieg (1914-1918) nicht spurenlos vorbei: Mitarbeiter werden zum Militärdienst einberufen, Kontakte ins Ausland gehe verloren und Musikinstrumente sind kaum gefragt. Die Fertigung wird auf Produkte für das Militär umgestellt. Nach 1919 beginnt ein schwieriger aber erfolgreicher Aufbau der alten Vertriebswege, sodass nahezu die alten Produktionszahlen wieder erreicht werden. Die Firmenleitung übernimmt 1932 Rudolph Blüthner-Haessler, der Schwieger- und Adoptivsohn von Robert Blüthner, nach dessen Tod.

1928 zum 75-jährigen Jubiläum erscheint eine Festschrift, sie endet mit den Worten:
Der Name Blüthner bleibt nach wie vor und immerdar ein Symbol, ein Begriff des zweckvoll Schönen und der beseelten Qualitätsarbeit. Er wird auch ferner in Ehren bestehen, nicht zuletzt zum Besten des deutschen Vaterlandes!“

Festschrift zum 75jährigen Bestehen, 1928, S.28

Der zweite Weltkrieg und seine Folgen

Im Zweiten Weltkrieg wird die Fabrik am Westplatz beim Luftangriff 1943 schwer getroffen und brennt bis auf die Grundmauern nieder. Auch das gesamte Inventar wird vernichtet. Nur die Fabrikantenvilla und zwei Wohnhäuser am Rand des Geländes bleiben erhalten.  Als der Zweite Weltkrieg endet, versammeln die Blüthners die noch lebenden, verstreuten Klavierbauer in Leipzig um sich und bauen die zerstörte Produktion wieder auf. Bereits 1948 beginnt auf dem Gelände des Sägewerkes in Leutzsch, Franz-Flemming-Straße 39, die Produktion von Instrumenten. Dazu werden die Gebäude in Leutzsch umgebaut, um sie zu Fertigungsräumen umzufunktionieren. Bereits 1953 ist die Nachfrage nach Blüthner Pianos wieder hoch.

Bis 1966 bleibt die Pianofortefabrik im Besitz der Familie, dann wird sie halbstaatlich und sechs Jahre später komplett zum staatlichen Betrieb der DDR. Der Betrieb trägt bis 1990 den Namen VEB Blüthner Pianos. Aus dem Unternehmer Ingbert Blüthner-Haessler wird der VEB-Direktor. In den 1970er Jahren wird auf dem Gelände in Leutzsch ein Neubau für 100 Arbeiter erbaut.

Zwei Journalisten des Westberlinder Radiosenders RIAS und Direktor Ingbert Blüthner-Haessler
Zum 125-jährigen Firmenjubiläum des Familienunternehmens 1978 besuchen Journalisten des Westberliner Radiosenders RIAS den VEB Blüthner Pianos. In der Mitte: Ingbert Blüthner-Haessler. |
Firmenchronik Fa. Blüthner (Autorisierung Dr. Blüthner-Haessler)

Nach dem Ende der DDR wird der Betrieb reprivatisiert und wieder Eigentum der Familie Blüthner. Es gelingt an alte Kontakte anzuknüpfen und die Nachfrage wächst. 1994-1996 werden neue Produktionsanlagen in Störmthal/Großpösna bei Leipzig gebaut.  Im Jahre 1995 treten Ingbert Blüthner-Haesslers Söhne, der Mediziner und Betriebswirtschaftler Dr. med. Christian Blüthner und der im väterlichen Betrieb ausgebildete Klavierbaumeister Knut Blüthner-Haessler in die Unternehmensführung ein. Dank des großen Interesses und der ständig steigenden Nachfrage nach Blüthner Instrumenten verfügt die Firma heute über ein weltweites Vertriebsnetz, mehreren Tochtergesellschaften u. a. in den USA, Großbritannien, Russland, Frankreich, den Niederlanden sowie Servicezentren im asiatischen Raum. 2003 feiert die Firma Blüthner 150jähriges Jubiläum. Seit 1853 sind mehr als 150.000 Instrumente produziert worden.

Objektbeschreibung

Fabrikgebäude Ecke Weststraße / Plagwitzer Straße
Datierung: ab 1860

Die Fabrik in der West Vorstadt, 1892 |
Abb.: Eckert & Pflug [Verlag] Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Teil. Leipzig 1892.

Beschreibung des Zustandes 1876 (Buchstaben in Klammern [] beziehen sich auf den Grundriss der Fabrik weiter oben):
Hufeisenförmiges, vierstöckiges Fabrikgebäude [A + B] mit 125m langer Fassade zur Weststraße sowie 175m Fassade zur Plagwitzer Straße. Der Bau war massiv und verfügte über einen Keller. Das freistehende Gebäude bot den Vorteil guter natürlicher Beleuchtung für alle Räume. Auch waren alle Stockwerke und Räume an die Heizung sowie Gas- und Wasserleitungen angeschlossen. Neben dem Hauptgebäude befanden sich verschiedene Nebengebäude auf dem Gelände, u.a. eine Sägerei [C], ein Trockenspeicher [G] und ein Kesselhaus [E]. An der Weststraße (Friedrich-Ebert-Straße 67) standen, mit etwas Abstand zum Fabrikgebäude, Wohnhäuser [L]. Und auf der anderen Seite der Fabrik befand sich die Villa des Fabrikbesitzers [M] mit Garten (Käthe-Kollwitz-Straße 46).

Wohngebäude Friedrich-Ebert-Straße 65/67
Datierung: um 1850, renoviert 2010-2012

Um 1850 im Zuge der Bebauung der Weststraße (heute Friedrich-Ebert-Straße) wahrscheinlich als Wohn- und Geschäftshaus errichtet. Nutzung des Gebäudes über fünf Generationen durch die Familie Blüthner bis zur Verlagerung des Firmensitzes nach Großpösna. Das Gebäude wurde 2010 bis 2012 aufwändig restauriert und wird heute ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt. Renovierungen standen unter der Leitung der Bauart GmbH, Amberg-Leipzig.

Bau-Beschreibung:
Vierstöckiger Bau aus der Gründerzeit mit Ziegelverblendungen und Putzelementen. Abgerundete Sprossenfenster gliedern den quadratischen Bau vertikal und horizontal symmetrisch. Aufwändige Fenstergesimse als Schmuckelemente und Kontrast zum Ziegelwerk. Stuckgesimse unterteilen die Front zwischen dem 1. und 2. sowie 3. und 4. Stockwerk, so dass die 4. Etage wie eine Mansarde wirkt. Abschluss zum Dach mit breitem Dachgesims. Zudem Unterteilung des Erdgeschosses durch einen zusätzlichen schmalen Fries. Heutige Balkone an den Seitenmauern sind nachgerüstet und dürften auch in anderer Form im Originalzustand nicht vorhanden gewesen sein. Erhalten ist zudem die wohl ehemalige Hofeinfahrt. Offensichtlich bestand hier zum Nachbarhaus noch eine Grundstücksmauer, die heute aber nicht mehr vorhanden ist. Zusammen mit Haus Nr. 65 (im ähnlichen Baustil gehalten) zeigen diese beiden Häuser die vormalige Pracht dieser Straßenbebauung.

Villa Blüthner, Käthe-Kollwitz-Straße 46
Datierung: 1858

Foto: Mathis Nitzsche; Quelle: https://www.architektur-blicklicht.de/artikel/touren/villa-bluethner-leipzig-zentrum-west-bachviertel/

Fabrikanten Villa mit historisierender Putzfassade. Eine der frühesten erhaltenen Villenbauten an der ehemaligen Plagwitzer Verbindungsstraße.

Standort Franz-Flemming-Straße 39
Datierung: 1888 (Andere Quellen: 1897)

Um 1888 entstand für die Firma Blüthner ein Dampfsägewerk mit angeschlossenem Holzlager. Durch den Bahnanschluss an die Sächsisch–Thüringische Eisenbahn war eine effiziente Holzversorgung für die prosperierende Pianofortefabrik möglich. Nach der Zerstörung des Hauptstandortes in der Friedrich-Ebert-Straße wurden auf dem Gelände des Sägewerkes neue Gebäude errichtet, um die gesamte Produktion an diesem Platz zu konzentrieren. Heute befindet sich auf dem ehemaligen Fabrikgelände in Leutzsch ein Gewerbepark. Das Grundstück ist Eigentum der Julius Blüthner Pianofortefabrik GmbH.

Quellenverzeichnis:

Autor/in: Hartmut Bräuninger (2013), Frank Heyme , Corinna Klußmann (2023)

Fotografien:

  • Frank Heyme: Franz-Flemming-Str. 39
  • Hartmut Bräuninger, Bauart GmbH: Friedrich-Ebert-Straße 67)
  • Mathis Nitzsche: Fabrikantenvilla

Objekt Nr.: 0402 / 7309




Proviantamt mit Heeresbäckerei

Adresse: Olbrichtstraße 3, 04157 Leipzig
Ortsteil: Möckern
Adresse historisch: Heerstraße (bis 1947)
Gemarkung und Flurstück: Möckern 242/2
Firmen-Bezeichnung:
Ab 1895:
DDR:
Nach 1990:
Heute:
Königliches Proviantamt – Heeresbäckerei
VEB Backwarenkombinat Leipzig
Leerstand und etappenweise Sanierung
Betreutes Wohnen und Wohnanlage
Datierung: Bau ab 1895
Industriezweig/Branche: Herstellung von Nahrungsmitteln
Objektgröße: Grundstück ca. 30.000 m²
Denkmalstatus: Kulturdenkmal im Freistaat Sachsen
Proviantamt und Heeresbäckerei . Obj.-Dok.-Nr.: 09261912
Sachgesamtheit Kaserne Proviantamt und Garnisonverwaltung –
Obj.-Dok.-Nr.: 09306501

Bau- und Unternehmensgeschichte:

Die Gebäude zum ehemaligen Königlichen Proviantamt mit eigener Bäckerei entstanden im Zusammenhang mit dem Bau der ersten Kasernen ab 1895 an der damaligen Heerstraße, heute Olbrichtstraße. Zuerst wurden die Kasernen nördlich vom damaligen Tauchaer Weg (heute Max-Liebermann-Straße) für ein Infanterieregiment und für ein Kavallerieregiment der sächsischen Armee errichtet. Südlich davon folgte der Bau des Divisionsgerichts mit Militärgefängnis, der Garnisonsverwaltung und des Proviantamtes.

Die Bäckerei des Proviantamtes versorgte die damalige Königlich Sächsische Armee in Leipzig. Wahrscheinlich kommt daher die manchmal verwendete Bezeichnung als Königliche Hofbäckerei. Ein ausgewiesener Hoflieferant war die Bäckerei aber nicht.

Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges wurde der Kasernenkomplex weiter ausgebaut: Westlich der damaligen Heerstraße (Stadtteil Möckern) mit der Kaserne für ein Train-Bataillon[1] und östlich der Straße (Stadtteil Gohlis) mit der Kaserne für ein Artillerieregiment mit Artilleriedepot sowie einem Bekleidungsamt. Damit erweiterte sich auch die Aufgabe des Proviantamtes und der Bäckerei, die zur Versorgung aller Kasernen am Standort diente.

Zur Bäckerei gehörten große Gebäude für Backsäle, Speicher und Magazine, die später noch erweitert wurden. Nach dem Erster Weltkrieg bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wechselte die Belegung der Kasernen durch verschiedene Einheiten und Kommandos des Militärs. Seit dieser Zeit ist der Gebäudekomplex der Bäckerei unter den Namen Heeresbäckerei bekannt.

Der Antransport des Getreides erfolgte hauptsächlich per Bahn über einen Gleisanschluss. Je nach Verwendungszweck konnte das Getreide in einer eigenen elektrischen Mühlenanlage zu Schrot, Dunst, Grieß oder Mehl zermahlen werden. Hauptsächlich wurde Kommissbrot[2] und Zwieback gebacken. Daher auch der Name Kommissbrotbäckerei.

Nach 1945 bezog die Sowjetarmee die Kasernengebäude auf dem Nachbargelände und nutzte diese für ihre Zwecke (bekannt als Werk Motor). Die Gebäude der Heeresbäckerei übernahm der VEB Getreidehandel, der spätere VEB Backwarenkombinat Leipzig. Damit blieb die Nutzung als Großbäckerei erhalten, zum Teil auch als Spezialbäckerei für die Sowjetarmee. Der VEB Backwarenkombinat war noch bis 1990 der größte Brot- und Brötchenproduzent der Stadt Leipzig.

Nach Abzug der Sowjetarmee und Auflösung des Backwarenkombinates stand das Gebäude leer. Zum Schutz und Erhalt erfolgte die Aufnahme in die Kulturdenkmalliste.

Das Gebäude des ehemaligen Königlichen Proviantamtes wurde in den Jahren 2014/2015 umfassend und denkmalgerecht saniert und ist heute eine Einrichtung des Betreuten Wohnens. Im Jahr 2017 begann die Sanierung und der Umbau des anschließenden Gebäudekomplexes der ehemaligen Heeresbäckerei zur heutigen Wohnanlage.

Objektbeschreibung:

Nach den erfolgten Sanierungen und der Umnutzung der Gebäude ist die ursprüngliche Architektur und unverwechselbare Charakteristika der Bauten noch sehr gut zu erkennen.

An der gelben Ziegelsteinfassade des ehemaligen Proviantamtes kann man den Zusammenhang mit dem Bau der nördlichen Kasernengebäude (Garnisonsverwaltung) sehen. Hier fallen vor allem die in gleicher Weise mit eingesetzten grün glasierten Ziegeln gestalten Fensterbögen und die Felder unterhalb der Fenster im Erdgeschoss auf.

Die ehemaligen Produktionsgebäude und Lagerhäuser der Heeresbäckerei beeindrucken nach wie vor mit den markanten roten Verblendsteinen der Außenfassade. Hier zeigen insbesondere die Fensterformen der einzelnen Etagen den Bezug zur ehemaligen Nutzung.

Königliches Proviantamt, Bäckerei in der Heerstraße (heutige Olbrichtstraße) |
Foto: Atelier Hermann Walter, ca. 1915

Quellen:

Autor/in: Ralf Meisel
Datum: November 2023

Abbildungen: Fotos von Ralf Meisel, 2023

Bearbeitungsvermerk:
Diese Objektbeschreibung stellt den derzeitigen Bearbeitungsstand dar.
Berichtigungen, Ergänzungen und Hinweise sind immer willkommen.


[1]Train ([…] von franz. train „Wagenzug, Tross, Fuhrwesen“) war in der deutschen und französischen Militärsprache zwischen dem 18. und dem frühen 20. Jahrhundert die Bezeichnung für das militärische Transportwesen.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Train_(Milit%C3%A4r) (17.12.2023)
Train-Batallione waren zuständig für folgende Aufgaben: Bäckerei- und Feldbäckereiwesen, Proviant-Fuhrwesen, sog. „fliegende Pferde-Depots“, Kriegs-Kommissariat (Verwaltung), Feld-Kriegskasse sowie Feldpost. Diese Bataillone bestanden, abgesehen von Offizieren und Unteroffizieren, überwiegend aus „abkommandierten Handwerkern“. https://de.wikipedia.org/wiki/Neupreu%C3%9Fische_Trainbataillone (17.12.2023)

[2] “Kommissbrot (ab dem 16. Jahrhundert von Kommiss, im Volksmund allgemein und im umfassenden Sinne Militärdienst oder Wehrdienst) ist ein einfaches, haltbares Brot zur Versorgung von Soldaten.”
https://de.wikipedia.org/wiki/Kommissbrot (17.12.2023)




OMEGA Leipziger Metallfadenlampenfabrik

ab 1909:

DDR:
Leipziger Metallfadenlampen Fabrik GmbH, OMEGA – Metallfaden und Glühlampen; auch Omega-Werke genannt
Firma nicht mehr existent (Nutzer des Gebäudes: VEB Polygraph)
heutige Nutzung: Industrieruine
Adresse:  Georg-Schwarz-Straße 185, 04179 Leipzig
Ortsteil: Leutzsch
Datierung: 1909-1910
Industriezweig/Branche: Elektrotechnik
Objektgröße: Grundstücksgröße: 10.260 m² (Flurstück: Leutzsch * 436/5)
Denkmalstatus: denkmalgeschützt, Obj.-Dok.-Nr.: 09298615

Bau- und Firmengeschichte:

Nach 1900 musste die Firma Körting und Mathiesen den Niedergang des Bedarfes an elektrischen Bogenlampen feststellen. Aus Gründen der Markterweiterung in Großbritannien wurde eine Vertriebsfirma gegründet, gemeinsam mit den Allgemeinen Deutschen Elektricitäts Werken. Im Jahre 1909 gründete Körting und Mathiesen gemeinsam mit Westinghouse eine Firma zur Herstellung von Metallfadenlampen, Bestandteilen von sowie vollständigen Beleuchtungskörpern. Ab 1910 lag die Tagesproduktion bei 5000 Lampen. Das Investment entwickelte sich nicht wie erhofft. Es wurden nur rote Zahlen erwirtschaftet.

Ab 1915 wurde der Betrieb wegen der dauernden Verluste eingestellt. Anschließend wurden die Anlagen und Sachwerte allmählich verkauft. Inwieweit die Situation im Zusammenhang mit dem seit 1914 begonnen 1. Weltkrieg in Relation stand, ist nicht bekannt.  

Das Fabrikgebäude wurde ab 1929 durch die Firma Hoh und Hahne übernommen.

Historische Postkarte mit Ansicht der Werke, um 1914

Objektbeschreibung

Das Fabrikgebäude in der Georg-Schwarz-Straße 185 in Leutzsch wurde 1910 für die OMEGA Leipziger Metallfadenlampenfabrik (auch: OMEGA – Metallfaden und Glühlampen) gebaut. Die Architekten Schmidt & Johlige entwarfen ein außerordentlich modernes Gebäude im Reformstil mit halbkreisförmigem Treppenhaus, in dem auch die Umkleideräume angeordnet waren. Die Arbeits- und Kontorräume waren lichtdurchflutet und das Gesamtensemble stellte einen Meilenstein für moderne Industriearchitektur dar.

1929 bezog die Photographischen Fabrik Hoh & Hahne das Gebäude. Nach Enteignung der Firma nach 1945 wurden die Gebäude durch die nun mehr und mehr staatlichen Nachfolgeunternehmen genutzt.

Fabrikgebäudes der Leipziger Metallfadenlampen Fabrik GmbH, 1915
Fabrikgebäudes der Leipziger Metallfadenlampen Fabrik GmbH, 1915 | Quelle: Fotothek des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig (Inv.-Nr.: F/9408/2005)

Mittlerweile ist ein Teil der Fabrikgebäude abgerissen. Das denkmalgeschützte Hauptgebäude verfällt durch Leerstand zunehmend. Im Jahr 2012 wurde das Gebäude zwangsversteigert. Es wird in die Neugestaltung der „Leutzsch Brücken“ einbezogen, die bis 2026 abgeschlossen sein soll (Stand 2020).

Quellen/Literatur/Links:

  • Antje Hagen: Deutsche Direktinvestitionen in Großbritannien, 1871 – 1918. Reihe Beiträge zur Unternehmensgeschichte, Franz Steiner Verlag 1997. Pkt. 6.4.2.1 Anstrich 53
  • Dr. David Blumenthal: Die Bedeutung der deutschen elektrotechnischen Spezialfabriken für Starkstrom-Erzeugnisse und ihre Stellung in der Elektro-Industrie. Springer Berlin (Verlag) 1915
  • Monika Kirst: Leutzsch: erlebt, erkundet, zugehört. 2. Band (Böhlitzer Hefte), Creativ Werbeagentur Kolb 2017
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Hoh_%26_Hahne (letzter Aufruf: 16.09.2023)
  • http://www.kandemlampen.de/index.php?seite=geschichte (letzter Aufruf: 06.10.2023)

Autor/in:        Frank Heyme

Datum:           2.4.2020

Bearbeitung: Corinna Klußmann, 16.09.2023




J.G. Schöne & Sohn Maschinenfabrik

ab 1850:
– ab 1857:
– ab 1859:
ab 1862:
– ab 1921:
– ab 1928
nach 1945 / DDR:
heute:
Mühlen- und Maschinenbau-Werkstatt F. M. Fritzsch
Fritzsch & Großer
Schöne & Großer
J.G. Schöne & Sohn
Holzbearbeitungsmaschinenfabrik Hansa Karl Jurisch 
Auto-Werkstatt & -Handel Karl Wirth
Auto-Reparatur-Werkstatt, Wäscherei und andere kleine Firmen
Nutzung eines Restteils als Kultureinrichtung Garage-Ost
Adresse:  Hermann-Liebmann-Str. 67 (früher: Konradstraße 36-38), 04317 Leipzig
Ortsteil: Neustadt-Neuschönefeld
Datierung: ab 1857; ältestes bestehendes Gebäude von 1870
Industriezweig/Branche: Werkzeug-Maschinenbau, Gießerei
Objektgröße: unbekannt (geschätzt ca. 2.000 m²)
Denkmalstatus: Obj.-Dok.-Nr.: 09293582

Bau- und Firmengeschichte:

Um das Jahr 1850 gründet F. M. Fritzsch in Volkmarsdorf, Nr. 88a, eine Mühlen- und Maschinenbau-Werkstatt. Die Werkstatt ist bald zu klein, deshalb zieht die Firma im Jahr 1857 unter dem Namen Fritzsch & Großer in die damalige Sophienstraße 129/130 der Nachbargemeinde Neuschönefeld um. Johann Gottfried Schöne, Hosenträger-Fabrikant in Großröhrsdorf bei Radeberg, kauft im September 1859 die Maschinenfabrik und führt sie unter dem neuen Firmennamen Schöne & Großer fort. Neuer Besitzer wird sein 21jähriger Sohn Gustav Otto Schöne, der aber bereits im Oktober desselben Jahres verstirbt. Carl August Großer scheidet im Jahr 1862 als Teilhaber aus. Die Maschinenfabrik und Eisengießerei (ab 1860) firmiert zukünftig unter der neuen Bezeichnung J.G. Schöne & Sohn und Johann Gottfried Schöne, Fabrikant in Großröhrsdorf, und sein Sohn Samuel Ernst Schöne, in Neuschönefeld, werden als Inhaber ins Leipziger Handelsregister eingetragen.

Historische Abbildung der Maschinenfabrik J.G. Schöne & Sohn aus dem Jahr 1890 |
Quelle: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil. Leipzig 1892, S. 282/283

Im Juni 1863 wird eine kleine Eisen- und Messing-Gießerei und 1869/70 ein großes, etwa 36 Meter langes, dreigeschossiges Fabrikgebäude direkt an der Sophienstraße errichtet. Ab 1870 spezialisiert sich die Firma auf den Werkzeugmaschinenbau und die Herstellung von Maschinen zur Metallbearbeitung (u. a. Hobelmaschinen, Bohrmaschinen, Drehbänke, Fräsmaschinen).

Im Jahr 1873 verfügt die Werkzeugmaschinenfabrik über 110 Arbeiter und eine Dampfmaschine (30 PS). Nach dem Tod von Ernst Schöne übernimmt im Jahr 1875 seine Frau Agnes Pauline, geb. Schöne, die Firma. 1890 sind 200 Arbeiter im Unternehmen beschäftigt und es wird ein neuer Anbau an der Ecke zum Kirchweg errichtet. Die Leitung der Firma übernimmt Ingenieur Otto Müller, der zweite Ehemann von Agnes Schöne.

In den Jahren 1917 und 1920 laufen Konkursverfahren der Werkzeug-Maschinenfabrik und Gießerei J. G. Schöne & Sohn. Das Fabrikgebäude wird anschließend aufgegeben und die Firma aufgelöst.

Objektbeschreibung:

Die frühere Fabrikanlage befand sich im Gelände zwischen der früheren Kirch-, Sophien-, Rosen- und Clarastraße, das entspricht der heutigen Hermann-Liebmann-, Konradstraße und einem Teil des Freizeitparks Rabet.

In den 1950er/60er-Jahren wurde ein Großteil der Gebäude auf dem Areal abgerissen. Nur an der Ecke Hermann-Liebmann-/Konradstraße blieben ein Teil der alten Fabrikhalle aus dem Jahr 1870 sowie ein Anbau aus dem Jahr 1890 stehen. Die beiden Obergeschosse wurden 1967 abgetragen. Bis zum Jahr 2022 wurden diese beiden Restgebäude teilsaniert und sollen einer neuen soziokulturellen Nutzung zugeführt werden.  

Ecke Liebmann-/ Konradstraße | Foto: Harald Stein, Februar 2022

Quellen/Literatur/Links:

Autor/in:         Harald Stein
Datum:            30.11.2022




Kofferfabrik M. Mädler

früher:
DDR:
heute:

Adresse: 
Ortsteil:

Datierung:

Industriezweig/Branche:

Objektgröße:

Denkmalstatus:

Koffer- und Lederwarenfabrik Moritz Mädler
VEB Werkzeuge Leipzig
Wohnanlage

Luppenstraße 1, 04177 Leipzig
Lindenau

1886

Koffer- und Lederwaren, Leichtindustrie

Grundstück 4.790 m² – Nutzfläche ca. 4000 m²

Obj.-Dok.-Nr.: 09261543

Bau- und Firmengeschichte:

Carl Moritz Mädler gründete 1850 in Wurzen eine Lederwarenfabrik. Seine Söhne Paul und Anton verlagerten den Betrieb 1886 nach Lindenau bei Leipzig in die Luppenstraße 1, wo mit über 300 (später 550) Arbeitskräften Koffer und Taschen hergestellt wurden. Die Fabrik firmierte zu dieser Zeit als “Königlich Sächsische concessionirte Koffer- und Lederwaren-Fabrik Moritz Mädler”. Die hohe Qualität und Innovationen wie der Welt-Bahnkoffer machten die Firma weltbekannt.

Der eigentliche Durchbruch zum Weltruhm erfolgte 1894 nach der Patentierung eines Verfahrens zur Herstellung des Rohrplattengewebes (Patentschrift Nr. 85676). Die Rohrgewebsplatte bestand aus Rohrstäben, welche in Flachssegeltuch eingewebt waren. Durch dieses Verfahren war es möglich, leichte wasserdichte Koffer, Schrankkoffer und Hutkoffer herzustellen. Der Verkauf erfolgte zunächst ausschließlich über die firmeneigenen Filialen, ab etwa 1900 auch per Versand. Um die Jahrhundertwende wurde das Sortiment um Damentaschen erweitert, später kamen staub- und wasserdichte Autokoffer hinzu.

Der Bau eines Messehauses mit mondäner Passage über Auerbachs Keller (1912–1914) machte Anton Mädler über die Stadtgrenzen Leipzigs hinaus bekannt. In Leutzsch steht die Fabrikantenvilla, bekannt als Mädler-Villa, und bildet einen imposanten Gebäudekomplex.

Mädler-Villa in Leutzsch |
Quelle: https://www.leipzig-days.de/madler-villa-in-leutzsc/

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Firma nach Offenbach in Westdeutschland und in die Schweiz verlagert. Im Jahr 1984 meldete sie Konkurs an.

Objektbeschreibung:

Die historische Lederwaren- und Kofferfabrik Moritz Mädler wurde 1886 in Lindenau in Betrieb genommen. Das denkmalgeschützte Bauwerk ist in der damals fortschrittlichen Stahlbetonskelett-Bauweise errichtet worden. Es hatte einschließlich der Nebengebäude etwa 4.000 m² Nutzfläche, bei einer Grundstücksfläche von 4.790 m².

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude in Lindenau stark beschädigt. In den nutzbaren Räumen residierte in der DDR der VEB Werkzeuge Leipzig und produzierte unter anderem Druckluftnagler. Ab 1990 erfolgte eine Zwischennutzung durch das neu gegründete Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO). 2012 begann die Sanierung des Gebäudekomplexes und der Umbau zu einer Wohnanlage.

Quellen/Literatur/Links:

https://www.deutsche-biographie.de/sfz126734.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Anton_M%C3%A4dler
https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:M%C3%A4dler_kofferfabrik_Leipzig.jpg
https://digiboard5.htwk-leipzig.de/ausstellung/aussteller/beispiele/koffer-und-taschenfabrik-moritz-maedler/

Autor/in:       Frank Heyme
Datum:          Februar 2021




Pianoforte-Mechaniken-Fabrik Flemming

vor 1945:

nach 1945:
ab 1972:
Heute:

Adresse:
Ortsteil:

Datierung:

Industriezweig/Branche:

Objektgröße:

Denkmalstatus:

Flügel- und Pianomechaniken-Fabrik Hermann Franz Flemming
bzw. Pianoforte-Mechaniken-Fabrik H. F. Flemming
H. F. Flemming KG
VEB Flügel- und Pianomechaniken, später VEB Pianounion
Ruine bzw. Industriebrache

Franz-Flemming-Straße 41, 04179 Leipzig
Leutzsch

1895

Musikinstrumentenbau, Fabrikation von Klavier- und Flügelmechaniken

Gesamtfläche des Werkes: 22.000 m²

Obj.-Dok.-Nr.: 09291930

Bau- und Firmengeschichte: 

Die Flügel- und Pianomechanikenfabrik gründete Franz Flemming im Jahr 1881. Nach kleineren Fabrikationsplätzen in Leutzsch wurde 1896 eine neue Fabrikanlage in der heutigen Franz-Flemming-Straße in Betrieb genommen.

Die Fabrikationsanlage bestand aus diversen Holzschuppen, einem Holzlagerplatz, Räumen für die Holztrocknung und diversen Räumen für die Herstellung von metallischen Halbzeugen sowie dem Bau von Spezialmaschinen. Hinzu kam ein Sägewerk. Die eigentliche Produktion der Mechaniken erfolgte in den Abteilungen Leistenherstellung, Zuschnitt, Bohren und Fräsen. Der nächste Schritt erfolgte in der Garnierabteilung, in der die Holzteile mit allerhand Tuchen, Stoffen, Filzen und Ledern versehen wurden. Danach dann das Zusammenfügen der Einzelteile und schließlich die Komplettierung zu einer Klaviatur.

Zeichnung der Klaviaturmechanik
Um durch Tastendruck einen Ton auf der Saite zu erzeugen, benötigt man eine äußerst komplizierte Mechanik, die sensibel und sicher reagieren muss | Technische Zeichnung von 1896

Die Fabrikanlage bedeckte eine Fläche von circa 22.000 m². Davon waren 650 m² bebaut mit Schuppen zur Unterbringung u. a. der Holzvorräte und circa 3.000 m² mit Fabrikanlagen. 18.350 m² wurden als Lagerplatz genutzt. Diese waren mit Gleisanschluss an die Sächsisch-Thüringische Staatseisenbahn versehen. Zum Entladen der Eisenbahnwaggons war eine Rampe von 130 m Länge vorhanden. Ferner durchzogen Feldbahngleise das Areal nach allen Richtungen. Die Fabrik enthielt auf drei Stockwerken 5.000 m² Arbeitsräume und war mit allen technischen Hilfsmitteln versehen. Besonders war auf größtmögliche Feuersicherheit geachtet worden. Angestellte der Firma unterhielten auch eine eigene Fabrikfeuerwehr.

Die nötige Betriebskraft wurde durch eine 175 PS Hochdruckdampfmaschine erzeugt, für welche zwei Heizkessel den notwendigen Dampf lieferten. Ferner lieferte das Gemeindeverbands-Elektrizitätswerk Leipzig Strom für 50 PS elektromotorische Kraft. Der Abdampf wurde hauptsächlich zur Heizung der Trockenanlagen verwendet, in der kalten Jahreszeit auch zur Erwärmung der Fabrikräume. Eine eigene Lichtzentrale lieferte den elektrischen Strom zur Beleuchtung des Etablissements. Die Fabrik verwendete circa 400 Spezialmaschinen und Apparate, die zumeist der eigenen Maschinenbau-Anstalt entstammen. Das Personal bestand aus 14 kaufmännischen und technischen Angestellten, circa 40 Meistern und Vorarbeitern sowie rund 300 Arbeitern.

Etwa in der Zeit um 1914 wurde Hermann Franz Flemming der Titel eines Kommerzienrates durch den sächsischen König Friedrich August verliehen. Die Fabrikate wurden in alle Erdteile verkauft. Piano- und Flügelmechaniken gingen an die Instrumentenbauer Steinway & Sons, Grotian-Steinweg, Schimmel, August Förster, Julius Blüthner, Niendorf, Bechstein, Rönisch, Julius Feurich, Ibach und an zahllose Abnehmer in Norwegen, Schweden, Finnland, Schweiz, Sowjetunion (Russland), Polen, Österreich, England, Australien und bis zur japanischen Firma Yamaha. Die Produktion des Betriebes betrug um diese Zeit etwa 14.000 Pianomechaniken und 4.500 Flügelmechaniken.

Nach dem Ersten Weltkrieg und nach der Weltwirtschaftskrise war das Produktionsvolumen etwas geringer als zuvor, aber die Firma behielt ihre herausragende Stellung auf dem Gebiet der Herstellung von Mechaniken für Klaviere und Flügel.

Nach 1945 wurde die Produktion wieder angefahren und gegen den Widerstand der staatlichen Organe als privatwirtschaftlicher Betrieb bis 1959 mit unterschiedlichem Erfolg weitergeführt. Im Jahr 1959 wurde eine staatliche Beteiligung an der Firma aufgenommen, wie es zur damaligen Zeit üblich war. Die vollständige Verstaatlichung der Firma erfolgte im Jahr 1972. Danach existierte sie als VEB Flügel- und Pianomechaniken. Später erfolgten diverse Auslagerungen der Produktion und die Eingliederung in den VEB Pianounion. Die Ausstattung an Maschinen und Werkzeugen war am Ende wegen mangelnder Instandhaltung und fehlender Neuinvestition völlig verbraucht bzw. veraltet. Die Firma Flemming existierte da nicht mehr. Nach 1990 versuchten die Alteigentümer einen Neuanfang, der aber aufgrund der Rahmenbedingungen keine Aussicht auf Erfolg hatte.

Von der Fabrik steht nur noch die Ruine des Kopfbaus. Die Produktionsgebäude und die Nebengebäude wurden nach einem Feuer 1999 abgerissen | Foto: C. Klußmann, 2018

Quellen/Literatur/Links:

Autor: Dr. Horst Siegemund und Frank Heyme

Datum: 25.02.2022




Hoh & Hahne / Hohlux

ab 1899:
DDR:
Hoh & Hahne, Markenname: HOHLUX
VEB Polygraph Reprotechnik
heutige Nutzung: Hauptgebäude als Ruine, Nebengebäude z.T. abgerissen
Adresse:  Georg-Schwarz-Straße 185, 04179 Leipzig
Ortsteil: Leutzsch
Datierung: 1899 gegründet, nach 1990 Stilllegung des Werke
Industriezweig/Branche: Maschinenbau, Herstellung von optischen Erzeugnissen (Fotoindustrie)
Objektgröße: Grundstücksgröße: 10.260 m² (Flurstück: Leutzsch * 436/5)
Denkmalstatus: denkmalgeschützt, Obj.-Dok.-Nr.: 09298615

Bau- und Firmengeschichte:

August Hermann Hoh und Friedrich Hahne gründeten 1899 eine Firma zur Herstellung von Repro- und Plattenkameras sowie “Lux”-Trockenplatten. Ab 1926 produzierten sie Reproduktions-Apparate unter der Marke Hohlux . Im Jahr 1929 erfolgte der Umzug in das Gebäude der OMEGA Werke in Leutzsch. Die Produktion umfasste fotomechanische Apparate und Hilfsmittel, u.a. Reproduktionskameras und Chemikalien. Die Repro-Einrichtungen erlangten wegen ihrer ausgezeichneten Funktion Weltgeltung. Die Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft (KG) erfolgte 1941.

Es ist nicht dokumentiert, was während des Zweiten Weltkriegs hergestellt wurde, aber produziert wurde wohl auch für die Junkers Flugzeugwerke und die Wehrmacht. Auch ist davon auszugehen, dass Hoh & Hahne Zwangsarbeiter beschäftigte, da die Firma im Verzeichnis der NS-Zwangsarbeiterlager und -Gemeinschaftsunterkünfte aufgeführt ist.

Teile des Werkes wurden in der direkten Nachkriegszeit als Reparationsleistung von der Sowjetischen Besatzungsmacht demontiert. Seit 1950 stand die Firma unter treuhändischer Verwaltung und wurde 1953 ein Betrieb mit staatlicher Beteiligung, seit 1956 in der Rechtsträgerschaft der Deutschen Investitionsbank. Die Firma Hoh & Hahne wird 1962 aus dem Handelsregister gelöscht. Die Produktion und das Gebäude wurden als Omega Werke in den VEB Polygraph Reprotechnik überführt, die Druckmaschinen produzierte. Der VEB Polygraph wurde 1990 in eine GmbH umgewandelt und das Werk in Leipzig-Leutzsch stillgelegt.


Objektbeschreibung:

Das Fabrikgebäude in der Georg-Schwarz-Straße 185 in Leutzsch wurde 1910 für die OMEGA Leipziger Metallfadenlampenfabrik (auch: OMEGA – Metallfaden und Glühlampen) gebaut. Die Architekten Schmidt & Johlige entwarfen ein außerordentlich modernes Gebäude im Reformstil mit halbkreisförmigem Treppenhaus, in dem auch die Umkleideräume angeordnet waren. Die Arbeits- und Kontorräume waren lichtdurchflutet und das Gesamtensemble stellte einen Meilenstein für moderne Industriearchitektur dar. 1929 bezog die Photographischen Fabrik Hoh & Hahne das Gebäude. Nach Enteignung der Firma nach 1945 wurden die Gebäude durch die nun mehr und mehr staatlichen Nachfolgeunternehmen genutzt. Ein Teil der Fabrikgebäude sind mittlerweile abgerissen. Das denkmalgeschützte Hauptgebäude verfällt durch Leerstand zunehmend. Es soll unter Zwangsversteigerung stehen und wird in die Neugestaltung der „Leutzsch Brücken“ einbezogen, die bis 2026 abgeschlossen sein soll.

Laut Einleitung in den Bestand der Firma Hoh & Hahne im Sächsischen Staatsarchiv sind mehrere Fotoalben aus den 1930er Jahren, auch mit Aufnahmen des Fabrikgebäudes, erhalten. (Bestand: Sächsisches Staatsarchiv, 20787 Hoh & Hahne, Reproduktionstechnik, Leipzig, Nr. 015)

Quellen/Literatur/Links:

Autor/in: Frank Heyme

Datum: 26.3.2020 / Überarbeitet: November 2021 (Corinna Klußmann)




Polyphon

  • früher: Polyphon Musik Werke AG
  • DDR: Werk Roter Stern
  • heute: Industriebrache

Adresse: Linkelstraße 61, 04159 Leipzig

Stadtteil: Wahren

Industriezweig/Branche/Kategorie: Maschinenbau, Feinmechanik, Musikinstrumente.

Datierung: 1887 bis in die 1920er Jahre

Bau- und Firmengeschichte:

Die Polyphon-Musikwerke wurden im Jahre 1887 als Brachhausen & Rießner in Wahren von Adolph Brachhausen und Ernst Paul Rießner gegründet. Beide waren bis zu diesem Zeitpunkt für die Fabrik Lochmannscher Musikwerke (später: Symphonion) tätig.

Neu war die Fabrikation von mechanischen Musikapparaten auf der Basis von genoppten und gelochten Metallplatten statt der bisherigen Walzen mit Stiften. Das Unternehmen Brachhausen & Rießner stellte das „Polyphon“ auf der Leipziger Herbstmesse 1890 vor. Das Warenzeichen – eine Frau mit Lyra und Lorbeerkranz unter einem Kometen – wurde 1891 registriert. Zwischen 1890 und 1894 meldete das Unternehmen insgesamt sieben Patente und zwölf Gebrauchsmuster an. Bei der Weltausstellung 1894 in Antwerpen erhielten die Apparate eine Silbermedaille.

Die Firma agierte zunehmend weltweit, speziell in den USA. Brachhausen verließ das Unternehmen 1892 und siedelte in die USA über, wo er in New Jersey sein Unternehmen Regina Music Box Company gründete – und damit für den Aufschwung der dortigen Musikwerke-Industrie sorgte. Die „Regina“-Apparate wurden nach Wahrener Modellen hergestellt.

Die umfangreiche Leipziger Modellpalette reichte von winzigen, in der Hand gehaltenen Geräten bis zu aufrechtstehenden, bis zu zwei Meter hohen Schränken. Die größeren wurden als Münzautomaten in Gaststätten aufgestellt. Der Kunde konnte nach dem Einwurf einer Münze aus zwölf Melodien auswählen. Diese wurde dann automatisch aus dem Magazin in den Spielmechanismus gehoben, abgespielt und wieder verstaut.

Das Fabrikgelände an der Linkelstraße in Wahren wurde 1893 bebaut und in Betrieb genommen. Im Mai 1895 erfolgte die Umfirmierung in die Polyphon Musikwerke AG. Im Juli 1899 kam es zu einem großen Brand in der Fabrik. Polyphon beschäftigte zu dieser Zeit ungefähr 800 Mitarbeiter und erreichte eine Jahresproduktion von 40.000 Instrumenten. Im Jahr 1906 waren es bereits 1000 Arbeiter. Bis zur Jahrhundertwende war die Firma der größte Produzente von Plattenpielautomaten in Europa. Bald sanken die Erlöse und die Produktpalette wurde erweitert, u.a. mit Piano-Orchestrions und Schreibmaschinen. Ab 1904 expandierte Polyphon im Bereich Automobilproduktion. Das erste Modell namens „Polymobil” wurde 1906 auf den Markt gebracht.

Die erste unzerbrechliche Schallplatte aus Metallblech mit Zelluloidüberzug stellten die Polyphon Musikwerke im Jahr 1904 her. Die Eintragung der Marke Polydor erfolgte am 25. Juli 1914. Unter dieser Marke wurden Musikinstrumente, Noten, Walzen, Schallplatten und Apparate.

Die Autoherstellung mit dem Markennamen “Dux” wurde 1916 in die selbständige Firma DUX-Automobil-Werke AG ausgegliedert und erhielt ein eigenes Werk auf einem benachbarten Grundstück.

Am 24. April 1917 erwarb die Polyphon Musikwerke AG die Aktien der Deutsche Grammophon AG und änderte den Firmennamen in Polyphonwerke AG. In diesem Zusammenhang steht auch die Etablierung der Firmenzentrale in Berlin.

Durch die Fusion mit der Deutschen Grammophon AG kam es zu einer zunehmenden Verlagerung der Geschäftsaktivitäten hin zu den Tonträgern Schellackplatte bzw. zur Produktion von Grammophonen mit denen Schellackplatten abgespielt werden konnten. Die Firma wird in den 1930er Jahren als Deutsche Grammophon AG in Leipzig geführt, bis diese 1937 aufgelöst wurde. Durch die Verbreitung des Radios waren die Absatzchancen für Grammophone und Co. stark gesunken. Ende der 1930er Jahre wurde ein Teil des Firmengeländes an die Pittler AG verkauft.

„Das Funktionsprinzip der Polyphon-Lochplatte besteht in einer Metallplatte mit eingestanzten länglichen Löchern, die auf der Unterseite kleine Haken bilden. Diese Haken drehen ihrerseits an mit Zähnen versehenen Rädchen, die Metalllamellen am sogenannten Stimmkamm anreißen, und so einen Ton erzeugen. Das Polyphon war mit einem Federwerk versehen, das mit einer Kurbel aufgezogen werden musste. Die Melodien waren auf Lochplatten aufgebracht, die leicht ausgetauscht werden konnten. Lochplatten gab es in verschiedenen Größen und mit unterschiedlich langer Spieldauer. Beispielsweise hatte eine Lochplatte mit 28 cm Durchmesser eine Spieldauer von ungefähr einer Minute.” (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Polyphon_(Musikautomat), aufgerufen am 14.7.2021)

Objektbeschreibung:

Von der großen Fabrikanlage der Polyphon Werke AG in Wahren ist nicht mehr viel zu sehen. Das Fabrikgelände umfasste ursprünglich etwa das Gebiet Bahnhof Wahren, Linkelstraße, Stammerstraße und angrenzend an das Gelände der Pittler AG. Der letzte Gebäudeteil wurde in den 1990er Jahren abgerissen. An der Linkelstraße ist nur noch das Hauptgebäude der späteren Autowerke zu sehen.

Quellen/Literatur/Links:

Siegfried Haustein: Das Wahrener Geschichtsbuch. Hrsg. vom Bürgerverein Möckern/Wahren e. V. Leipzig, 2014

https://de.wikipedia.org/wiki/Polyphon_(Musikautomat) (zuletzt aufgerufen am 29.03.2021)

https://www.lvz.de/Leipzig/Lokales/Weitsicht-rettete-Polyphon-ueber-die-Krise (zuletzt aufgerufen am 29.03.2021)

https://geheimtipp-leipzig.de/von-der-lochplatte-zum-laster/ (zuletzt aufgerufen am 29.03.2021)

https://www.alte-spieluhren.de/lochplatten_spieldosen.htm (zuletzt aufgerufen am 29.03.2021)

https://mfm.uni-leipzig.de (zuletzt aufgerufen am 29.03.2021)

http://lexikon.musica-mechanica.de/detail.php?id=70 (zuletzt aufgerufen am 29.03.2021)

https://geheimtipp-leipzig.de/autos-aus-der-kaserne/ (zuletzt aufgerufen am 29.03.2021)

Autor/in:        Frank Heyme, Kathrin Töpfer, Corinna Klußmann

Datum:           März 2021

Weitere Abbildungen folgen





DUX / Büssing NAG

  • früher: DUX Automobil Werke; Büssing NAG
  • DDR: Instandsetzungswerk Roter Stern
  • heute: Industriebrache

Adresse: Linkelstraße 59, 04159 Leipzig

Stadtteil: Wahren

Industriezweig/Branche/Kategorie:  Maschinenbau, Verkehrswesen

Datierung:  1916

Objektgröße: keine Angabe

Denkmalstatus: Obj.-Dok.-Nr. 09297737

Bau- und Firmengeschichte:

Um
die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert eroberte das Automobil die
Straßen. Die Polyphon Musikwerke erkannten
das Potential dieser technischen Neuerung und gründeten eine eigene Abteilung
zur Herstellung. Durch die
Beziehungen zu dem Polyphon-Gründer
Adolph Brachhausen, der 1892 in die USA auswanderte, konnte das Unternehmen
günstig Lizenzen erwerben und die ersten Automobile nachbauen – allerdings mit
verbessertem Vergaser und Zündung. Unter den Namen „Polymobil“ und
„Gazelle“ wurden die ersten Fahrzeuge 1904 im Kristallpalast Leipzig
präsentiert.

Das
Unternehmen konnte 1908 Gustav Schürmann für sich gewinnen, unter dem eine
völlig neue Ära des Automobilbaus begann. Das Polymobil wurde zu Dux (lat.
„dux“ = Wegweiser, Führer). Es gibt auch Gerüchte, dass die Namenspatin die
Sopranistin Claire Dux war.

1916 wurde auf Betreiben von Schürmann die Kraftwagenabteilung aus der Firma Polyphon herausgelöst und die DUX-AUTO-MOBILWERKE Aktiengesellschaft gegründet. Mitten im Ersten Weltkrieg baute man auch gleich neben den Musikwerken die neue Autofabrik in der Bahnhofsstraße 59, heutige Linkelstraße. Im Verlauf der nächsten Jahrzehnte wurde diese ständig erweitert und erstreckte sich schließlich südlich bis zur Stammerstraße. Bis 1927 baute man vor allem PKW. Aber Schürmann erkannte die Bedeutung von Lastkraftwagen verschiedenster Art und speziell Militärfahrzeuge für den Krieg waren lohnende Aufträge. Auch eine Omnibus-Produktion wurde gestartet.

Durch
die Zusammenlegung mit anderen Firmen entstand 1919 der Deutsche Automobil -Konzern (D.A.K.), später übernahm NAG (Nationale Automobilgesellschaft), eine
Tochter der AEG, die Werke. Die Büssing AG übernahm im Jahr 1931 die
finanziell angeschlagene NAG und
konnte somit eine größere Produktpalette an Nutzfahrzeugen anbieten und zum
Branchenführer aufsteigen. Die Firma firmierte unter dem Namen Büssing-NAG, Vereinigte Nutzkraftwagen AG.
Nach dem Erwerb der Automobilfabrik Franz
Komnick und Söhne AG
wurden deren Fertigungseinrichtungen in Elbing
(Ostpreußen) unter der Bezeichnung Büssing-NAG
Werk Ost
geführt. In Wahren wurden seit Anfang der dreißiger Jahre nun vor
allem Lastkraftwagen der Marke “Büssing” hergestellt, weiter unter
der Leitung von Gustav Schürmann. Natürlich auch wieder für den Zweiten
Weltkrieg. Das Fabrikgelände nannte man im Volksmund auch “bei Büssings“.

In Wahren wurden bis 1945 auch Fahrgestelle für Schützenpanzerwagen und Allrad-LKW für die Wehrmacht hergestellt. Nach dem Krieg folgte die Enteignung. Die Sowjetarmee beschlagnahmte und nutzte nach 1945 das Werk und ließ hier ihre Armeefahrzeuge aller Art Instand setzen. Um 1948 erhielt die Anlage, zu der auch die einstigen Polyphon-Gebäude gehörten, den Namen “Werk ‘Roter Stern”‘. Nach Abzug der sowjetischen Armee 1991 wurden die Werkstätten und ein Teil des Verwaltungsgebäudes abgerissen. Seitdem steht das Objekt leer und verfällt zusehends.

Über
das Werk Roter Stern gibt es nach gegenwärtigen Kenntnissen keine Dokumente in
den Archiven in Deutschland.

Objektbeschreibung:

Von der großen Fabrikanlage der Polyphon Werke AG / Büssing NAG in Wahren ist nicht mehr viel zu sehen. Das Fabrikgelände umfasste ursprünglich etwa das Gebiet Bahnhof Wahren, Linkelstraße, Stammerstraße und angrenzend an das Gelände der Pittler AG. Der letzte Gebäudeteil wurde in den 1990er Jahren abgerissen. An der Linkelstraße ist nur noch das Hauptgebäude der Autowerke zu sehen.

Quellen/Literatur/Links:

Bürgerverein Möckern-Wahren e.V. [Hrsg.]: Das Wahrener Geschichtsbuch (nach Aufzeichnungen von Siegfried Haustein), http://bv-moeckernwahren.de/buch02.html (zuletzt aufgerufen am: 23.1.2021)

Siegfried Haustein: Industriestandort Wahren – zur Geschichte seiner Fabriken. Die erste Fabrik – die Polyphon-Musikwerke. In: Bürgerverein Möckern-Wahren e.V. [Hrsg.]: VIADUKT. Die Bürgerzeitung für Möckern und Wahren. Nr. 63 (Feb. 2003), S. 6; https://docplayer.org/131879143-Die-buergerzeitung-fuer-moeckern-und-wahren.html (zuletzt aufgerufen am 22.03.2021)

https://de.wikipedia.org/wiki/Dux_(Automobilhersteller) (zuletzt aufgerufen am 22.03.2021)

http://www.kfzderwehrmacht.de/Hauptseite_deutsch/Kraftfahrzeuge/Deutschland/Bussing-NAG/8-Rad_PzSpWg_Typ_GS/8-rad_pzspwg_typ_gs.html (zuletzt aufgerufen am 22.03.2021)

http://www.kfzderwehrmacht.de/Hauptseite_deutsch/Kraftfahrzeuge/Deutschland/Bussing-NAG/Bussing-NAG_4500_A/bussing-nag_4500_a.html (zuletzt aufgerufen am 22.03.2021)

http://www.aefl.de/ordld/Komnick/Neu171204/07/komnick_7.htm (zuletzt aufgerufen am 22.03.2021)

https://www.industrie-kultur-ost.de/datenbanken/ruinen-datenbank/dux-automobilwerke-leipzig/ (zuletzt aufgerufen am 29.03.2021)

https://geheimtipp-leipzig.de/autos-aus-der-kaserne/ (zuletzt aufgerufen am 22.03.2021)

Autor/in:        Frank Heyme, Kathrin
Töpfer

Datum:           März 2020, Februar 2021

Abbildungen folgen





HASAG – Hugo Schneider AG

Titel des Objekts: HASAG – Hugo Schneider Aktiengesellschaft

Adresse: 04318 Leipzig, Permoserstraße 15

Stadtteil: Anger-Crottendorf / Paunsdorf

Industriezweig/Branche/Kategorie: Lampenbau, später Munitionsproduktion

Kurzcharakteristik: Lampen- und Metallwarenfabrik

Datierung: am Standort von 1897 bis 1945

Objektgröße: ca. 25 ha

Denkmalstatus: Obj.-Dok.-Nr. 09292457

Ursprüngliche Nutzung: Lampen- und Metallwarenfabrik

Spitzname in der Bevölkerung: Lampen-Schneider

Heutige Nutzung: Standort des Umweltforschungszentrums und anderer Firmen

Bau- und Firmengeschichte:

Der kaufmännische Angestellte Hugo Schneider (geb. 1836 in Siegroth, Schlesien) beteiligte sich 1863 in Reudnitz bei Leipzig am Unternehmen des Klempnermeisters Ernst Häckel. 1871 ging das Unternehmen in den alleinigen Besitz von Hugo Schneider über. Zu dieser Zeit wurden bereits 60 Personen beschäftigt und man versuchte die produzierten Petroleumlampen auch im Ausland abzusetzen. Am 01.06.1888, im Alter von 52 Jahren, starb der Firmengründer Hugo Schneider. Die Unternehmensleitung übernahm sein Sohn Johannes Schneider-Dörfel. Er setzte bis 1891 die Spezialisierung der Firma fort. Die Fertigung kompletter Lampen wurde zugunsten der Produktion von Petroleumbrennern aufgegeben und das Unternehmen entwickelte sich zum weltweit bedeutendsten Produzenten. Die mit zwei Dampfmaschinen ausgerüstete Fabrik verarbeitete monatlich mehr Messingblech als jede andere deutsche Firma. Aus diesem Grunde beschloss die Firmenleitung ein eigenes Messingwalzwerk zu errichten. Hierzu erwarb man 1897 ein Grundstück in Paunsdorf bei Leipzig.

1899 erfolgte unter Mitwirkung der Allgemeinen Deutschen Credit-Anstalt (ADCA), der Darmstädter Bank und der Privatbank George Meyer die Firmenumwandlung in die Hugo Schneider Aktiengesellschaft (HASAG). Die Söhne Hugo Schneider’s blieben bis zu ihrem Tod als Direktoren tätig, danach hatten die Banken die Kontrolle über das Unternehmen. Bankier Meyer übernahm einen Sitz im Aufsichtsrat und Kommerzienrat Thieme von der ADCA wurde Vorsitzender dieses Gremiums. Am Paunsdorfer Standort entstand zur Herstellung von Petroleumbrennern ein neues Werk. Das Unternehmen beschäftigte ungefähr 1200 Arbeiter. Ab 1902 begann man unter Nutzung eines schwedischen Patents mit der Produktion von Petroleum-Starklicht-Lampen mit einer Leistung von 200 bis 3000 Lux, ab 1904 errichtete man eine Fertigungslinie zur Herstellung von Autolampen.

1932 wurde der spätere SS-Sturmbannführer Paul Budin Generaldirektor der HASAG und SA-Sturmbannführer Georg Mumme sein Stellvertreter, der Wehrwirtschaftsführer Wilhelm Renner wurde Sozialdirektor. Ab 1939 produzierte die HASAG ausschließlich für die Wehrmacht, unter anderem Gewehrpatronen, Granaten und Bordmunition.

Ende 1942 entwickelte Dr. Langweiler in Leipzig die erste Panzerfaust. Ziel war eine einfach bedienbare Abschussvorrichtung für den Hohlladungskopf. Das Projekt erhielt den Namen „Gretchen“ und war für eine Kampfentfernung von 30 Metern ausgelegt. Die Panzerfaust war sehr kompakt und leistungsfähig konstruiert. Zur Steigerung der Einsatzreichweite wurde die Waffe weiter verbessert. Nun konnten Panzer auf eine Entfernung bis 60 Meter, 100 Meter und am Schluss bis 150 Meter bekämpft werden. Die Stückzahl der produzierten Panzerfäuste belief sich auf weit über sechs Millionen.

Die HASAG hatte in Deutschland Zweigwerke in Altenburg, Berlin, Borsdorf, Colditz, Delitzsch, Eisenach, Flößberg, Grimma, Langewiesen/Dermbach, Meuselwitz, Oberweißbach, Schlieben und Taucha und in Polen in Skarzysko-Kamienna, Kielce und Tschenstochau.

In den Jahren 1943/1944 beschäftigte die HASAG 70.000 Personen, davon waren 44 % Ausländer, der Großteil Frauen. Der weitaus größte Teil dieser Ausländer waren Zwangsarbeiter, die unter sehr schlechten Bedingungen arbeiteten und deren Tod billigend in Kauf genommen wurde.

Nach dem Krieg lief in kleinem Umfang eine zivile Produktion an. Bis 1947 wurden alle Anlagen und Maschinen demontiert und die meisten Gebäude gesprengt, nur die Hauptverwaltung und die Lehrwerkstatt sind erhalten geblieben. 

Objektbeschreibung:

Das Gelände hat die Form eines ungleichseitigen Dreiecks und ist an der Torgauer Straße ca. einen Kilometer. Die südliche Begrenzung bildet die Permoserstraße mit etwa 700 Metern Länge. Die dritte Seite wird durch die Eisenbahnlinie Leipzig – Eilenburg begrenzt. Nördlich bis zur Leupoldstraße erstreckte sich das Nordwerk mit Entwicklungslabor, Schießständen und Zwangsarbeiterlagern.

Heute befindet sich auf dem Gelände u.a. auch die “Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig”: https://www.zwangsarbeit-in-leipzig.de/zwangsarbeit-in-leipzig/ (zuletzt aufgerufen am 11.3.2021)

Quellen:

Literatur:

  • Haikal, Mustafa; Die Hugo Schneider Aktiengesellschaft (Hasag). In: UFZ-Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle: Leipzig Permoserstraße. Zur Geschichte eines Industrie- und Wissenschaftsstandorts. Leipzig 2001.
  • Worm, Holger: Die Hugo Schneider A.-G. Leipzig. Kurzübersicht ihrer Entwicklungsgeschichte und Produkte. Fockendorf 2007. Online abrufbar
  • https://de.wikipedia.org/wiki/HASAG (zuletzt aufgerufen am 10.03.2021)
  • www.ROG-Film.de  (zuletzt aufgerufen am 10.03.2021)

Persönliche Dokumente und Informationen von:

Raik Alvermann, Michael Heyne, Oliver Modes, Holger Worm

Autoren: Roger Liesaus, Holger Worm

Datum: 05. März 2020