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VTA Werk 1

Titel des Objektes: VTA (Verlade- und Transport- Anlagen) in Leipzig, Werk I (Gohlis); Hauptwerk, auch “Bleichertwerke”

Adresse: Lützowstr. 34, 04157 Leipzig

Stadtteil: Gohlis

Industriezweig / Branche / Kategorie: Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaues; Betrieb des DDR Schwermaschinenbaukombinates TAKRAF mit Sitz in Leipzig, Barfußgäßchen 12

Kurzcharakteristik: 

Unternehmen für die Fertigung von Ausrüstungen und Anlagen für die Schwerindustrie, Transport- und Fördertechnik besonders Lasten- und Personenseilbahnen, Kabelkrane, Verladebrücken, Kesselbekohlungsanlagen, batterieelektrisch betriebene Flurförderzeuge.

Nach Umbau ab 1957 nur noch Fertigung von sogenannten Serienerzeugnissen wie Elektro- Gabelstapler, Elektroschlepper und Diesel- Gabelstapler. Anlagenfertigung nur im Werk II. An Bauten waren dazu vorhanden: Direktions- und Bürogebäude, Materiallager, Fertigungsbereiche für Zerspanungstechnik, Kleinstahlbau, Schweißerei, Montagehallen, ab 1957 auch die Fertigung von Elektromotoren und Schaltgeräten. Des Weiteren Betriebsküche, Garderoben, Medizinischer Punkt, Versandabteilung und Malerei sowie Werkstoffprüflabor, Werkzeugbau, Maschinen-Instandhaltung.

Datierung: 

1874 Gründung des Unternehmens als Ingenieurbüro für Drahtbahnen durch die Ingenieure Bleichert und Otto in Schkeuditz bei Leipzig. Nach 1874 Umzug nach Leipzig und Anmietung einer kleinen Firma für den Bau von Lastenseilbahnen. Sieben Jahre später Umzug in einen Fabrikneubau in der heutigen Lützowstr.. Fertigung von Lastenseilbahnen. 1898 Gründung eines Büros für Konstruktion und Fertigung von Schiffsentladern, Lagerplatzgeräten und Drehkranen, 1903 des Bereiches Elektrohängebahnen und 1904 Gründung der Abteilung „Allgemeiner Transportmaschinenbau“. Gründung von Zweig- und Tochterunternehmen u. a. in Charkow (Ukraine), 1912 in Neuss am Rhein und 1920 in Leipzig/Eutritzsch.

1931/32 Konkursanmeldung, Verlust des Zweigwerkes in Eutritzsch und am 30.06.1932 Gründung der Bleichert Transportanlagen GmbH Leipzig. Von 1946 bis Ende 1953 sind beide Werkteile zwecks Erfüllung der Reparationsleistungen gegenüber der Sowjetunion im Besitz der sowjetischen Aktiengesellschaft Transmasch. Ab 01.01.1954 werden sie ein volkseigener Betrieb. 1985 werden in der DDR neue Wirtschaftsstrukturen eingeführt und VTA wird Stammbetrieb des Kombinates TAKRAF Leipzig. Die Umwandlung der Firma in eine GmbH im Jahre 1990 schützt sie nicht vor der Liquidation ab 01.04.1993. Das weltbekannte Unternehmen VTA vormals Bleichert, hat aufgehört zu bestehen.

Objektgröße: Das Werk I umfasst die Fläche von ca. 2,5 Hektar. Die Mitarbeiterzahl im Jahr 1908 betrug 1160 Personen. Die höchste Beschäftigtenzahl hatten das Werk I und II im Jahr 1953 mit ca. 6600 Mitarbeitern. 1990 waren noch 2946 Arbeitnehmer in beiden Werkteilen beschäftigt.

Ursprüngliche Nutzung: 

Mit der Einrichtung einer eigenen Fabrik in Leipzig/Gohlis legte Adolf Bleichert den Grundstein für eine industriemäßige Fertigung von Anlagen und Geräten der Transport- und Fördertechnik. Firmenprinzip war nur die sogenannten „intelligenten Baugruppen“ zu produzieren, die wertmäßig einen hohen Einsatz an geistigen und handwerklichem Können erforderten. Also vor allem Antriebe, Kabinen, Seilbahnwagen, Hub- und Drehwerke, Laufwerke, Fahr- und Schwenkwerke usw.. Man fertigte u. a. Lasten und Personenseilbahnen, Elektrohängebahnen, Kabelkrane, Verladebrücken, Bekohlungsanlagen, Drehkrane, ab 1923 auch batterieelektrische angetriebene Fahrzeuge – die „Eidechse“, sowie ab 1938/39 den legendären Kugelschaufler, ein mobiles fördertechnisches Erzeugnis.

Nach 1945 kamen auf Forderung der Sowjetunion dazu die Grubenlokomotive „Karlik“, Walzwerksausrüstungen, Pratzenkrane. Ab 1955 wurde schrittweise die Anlagenproduktion nach Eutritzsch verlagert und 1957 das Werk Gohlis als „Serienwerk“ weitergeführt. Es wurden Elektrogabelstapler und Elektroschlepper sowie Dieselgabelstapler bis 4,0t Tragfähigkeit produziert. Eine Herausforderung dabei war die komplette Verlagerung des Elektromotoren- und Schalterbaus vom Werk Eutritzsch nach Gohlis. Auch der Aufbau einer neuen Abteilung für die Getriebefertigung musste gelöste werden. Auf dem Gelände des Werkes Gohlis befanden sich dazu technische und kaufmännische Bereiche, die erforderlichen Werkstätten und die gesamte Werkleitung. Für die Fertigung standen u. a. die Hallen B11 – Mechan. Fertigung, die B25 – Kleinstahlbau und Schweißerei, Schalter- und Motorenbau, sowie die B12 – Staplermontage, zu Verfügung.

Heutige Nutzung: 

Bereits 1991 werden Maßnahmen zur Einstellung der Fertigung und Entlassung von Mitarbeitern veranlasst. Eine Suche von Interessenten für das Werk erwies sich erfolglos, so dass ab 01.04.1993 die offizielle Liquidation eingeleitet wurde. Werkhallen und Bürogebäude waren danach jahrelang Verfall und teilweisen Brandstiftungen ausgesetzt. Lediglich das parallel zur Lützowstr. befindliche Direktionsgebäude wurde ansehnlich und denkmalsgerecht saniert und vollständig vermietet.

Für den Erhalt der übrigen Gebäude und Werkhallen ergab sich 2008 wieder Hoffnung. Die CG- Gruppe, ein Bauinvestor mit Erfahrung für die Sanierung ehemaliger Fabrikanlagen, kaufte das Gelände. Trotz weiterer Zerstörung der Bausubstanz begann das Unternehmen mit der Dekontaminierung der Hallenfußböden und Abriss nicht mehr zu rettender Gebäude. Die CG- Gruppe hatte vor, auf dem Werksgelände Wohnungen, Kleingewerbe und Einfamilienhäuser zu errichten. 2017 sind die ersten Mieter in der Wilhelm-Sammet-Str. eingezogen. Bei anderen Gebäuden ist erheblicher Baufortschritt zu erkennen. Entsprechend dem Denkmalschutz werden von der CG- Gruppe Erinnerungen an das ehemalige Unternehmen Bleichert/VTA erhalten.

Bau- und Firmengeschichte:

1. Der Firmengründer Adolf Bleichert: 

Adolf Bleichert wurde am 31. Mai 1845 in Dessau geboren. Er studierte an der Gewerbeakademie Berlin, heute Technische Universität, Maschinenbau, Abschluss als Zivilingenieur.

1872: Adolf Bleichert ist Oberingenieur bei der Halle-Leipziger Maschinenfabrik und Eisengießerei AG Schkeuditz. Er konstruierte die erste Draht(Seil)bahn für die Solaröl- und Paraffinfabrik Teutschenthal bei Halle. Die Anlage war 1874 vollendet und blieb 40 Jahre in Betrieb.

1874: Anlegung einer Versuchsbahn, um konstruktive Ideen praktisch zu erproben, u. a. die Benutzung von Drahtseilen anstelle von Rundeisen als Laufbahn, was sich als bahnbrechend erwies. Am 1. Juli eröffneten Adolf Bleichert und Theodor Otto in Schkeuditz bei Leipzig ein Ingenieurbüro „Bleichert & Otto“, mit dem sie im gleichen Jahr nach Leipzig umzogen.

1875: konstruierte A. Bleichert die Exzenter-Kupplung zum An- und Abkoppeln der Seilbahn-Wagen am Zugseil.

1881: Mit dem Umzug nach Gohlis, Feldstraße (heute Lützowstr.), wird die Firma in eine offene Handelsgesellschaft (OHG) umgewandelt und in das Handelsregister beim Amtsgericht Leipzig neu eingetragen, die Firma verbleibt an diesem Ort.

1889: Wegen der stark angewachsenen Geschäftstätigkeit, die er allein nicht mehr bewältigen konnte, setzte A. Bleichert vier neue Prokuristen ein, u a. die Ingenieure und späteren Direktoren Rudolf Pfaffenbach und Karl Streitzig.

1893: A. Bleichert reiste in die USA, u. a. zum Besuch der Weltausstellung in Chikago.

1897: Vergrößerung des Werkes in Gohlis und Bau eines neuen Bürogebäudes, die Firma beschäftigte 200 Arbeiter.

1899: zum 25-jährigen Jubiläum wird die 1000. Drahtseilbahn gefertigt für den Erztransport auf Thio/Neukaledonien (Pazifik). Adolf Bleichert erkrankt an Tbc, am 29.Juli

1901 stirbt Adolf Bleichert in Davos-Platz.

1908: Errichtung eines Adolf-Bleichert-Denkmals auf dem Firmengelände, 1950 wurde es beseitigt.
Ab April 2001 erinnert wieder im Leipziger Stadtteil Gohlis eine Bleichertstr. an einen der größten Techniker und Erfinder unserer Heimatstadt.

2. Bedeutung der Firma Adolf Bleichert & Co. Leipzig sowie des Nachfolgeunternehmens: 

Die Drahtseilbahn als Lastenseilbahn war vom letzten Viertel des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg neben der Eisenbahn und vor der Erfindung von Auto und Flugzeug das wichtigste Transportmittel für die Massenbeförderung von Rohstoffen in Bergbau, Hüttenwesen, Kraftwerken, Bauwesen, Maschinenbau usw., auch in der Landwirtschaft. Die Drahtseilbahnen der Firma Bleichert waren weltweit auf allen Kontinenten verbreitet.

Bis zum 1. Weltkrieg wurden hinsichtlich Länge, Leistungsfähigkeit, Steigungsgrad, geographischer Verbreitung beim Bau von Lastenseilbahnen technische Höchstleistungen vollbracht, s. die sog. Bleichertschen Rekordbahnen in Chilecito (Argentinien), Flamanville (Frankreich), Usambara (Deutsch-Ostafrika, heute Tansania), Thio (Neukaledonien) und auf Spitzbergen. Insgesamt hat die Firma Bleichert über 4000 Drahtseilbahnen hergestellt. Die Erfolge beim Bau von Drahtseilbahnen beruhten technisch auf ständiger Vervollkommnung des Systems und wirtschaftlich auf Rationalisierung in der Herstellung.

Nach 1900 wurde außerdem das Produktionsprogramm um weitere Transportanlagen ständig erweitert: Elektrohängebahnen, Elektrokarren „Eidechse“, Kabelkrane, Kabelbagger, Kesselbekohlungsanlagen, Kugelschaufler u. a.. Im 20. Jahrhundert hat die Drahtseilbahn als Personenseilbahn eine überragende Bedeutung als Transportmittel für den Massentourismus vor allem bei der Erschließung alpiner Skigebiete gespielt.

Bis zum Zweiten Weltkrieg war die Firma Bleichert auf der Grundlage des Systems Bleichert-Zuegg führend beim Bau von Personenseilbahnen. Von ca. 100 Bahnen wurden 37 von Bleichert gebaut (davon in Deutschland 6, Österreich 10, Frankreich 7, Schweiz 3, Italien 4, Polen und Spanien je 2 USA sowie Norwegen und Südafrika je 1). Von diesen Bahnen laufen bis heute z. gr. T. noch mit Originalausrüstung: Burgbergbahn Bad Harzburg (ca. 1970 Kabinenwechsel), Predigtstuhlbahn Bad Reichenhall, Miramar-Bahn im Hafen von Barcelona, Montserrat-Bahn bei Barcelona. Die restlichen Anlagen von 25 verschiedenen Firmen.

Der Anteil der Firma an der Kriegsproduktion (Feldseilbahnen im 1. WK, und Granaten) während der beiden Weltkriege war hoch und ist kritisch zu bewerten. In der Weltwirtschaftskrise nach 1929 geriet die Firma 1931 in die Insolvenz. Die unter dem Einfluss von Felten & Guilleaume Carlswerk AG Köln 1932 erfolgte Neugründung als Bleichert-Transportanlagen GmbH bei gleichzeitigem Ausschluss der Familie Bleichert erwies sich als erfolgreich. In den Jahren als SAG Bleichert (1946-1953 Sowjetische Aktien-Gesellschaft) wurden umfangreiche Reparationsleistungen für die UdSSR erbracht. Es wurden die Kriegsschäden in den Werksteilen Gohlis und Eutritzsch beseitigt und in Eutritzsch neue Werkhallen errichtet. Die Belegschaft erreichte einen Höchststand von 6600 Beschäftigten. Die Produktion neuer Produkte wurde aufgenommen: Autokrane, Kabelkrane, u. a. für die Werften in Warnemünde und Wismar, sowie die Elektro- Grubenlok „Karlik“.

In der Zeit als VEB Verlade und Transportanlagen Leipzig, Kurzform VTA (1954-1990) gehörte VTA zu den größten Betrieben des Schwermaschinenbaus in der DDR. VTA war wichtiger Lieferant für die RGW-Länder, verkaufte aber auch in das westliche Ausland. Hauptprodukte waren vor allem Gabelstapler, große Bandanlagen für den Braunkohle-Tagebau sowie Containerkrane für den Hafenumschlag.

Ab 1985 war VTA Stammbetrieb des Schwermaschinenbaukombinates TAKRAF (=Tagebauanlagen, Krane, Förderanlagen). Mit dem Übergang vom 19. in das 20. Jahrhundert hatte die elektrotechnische Industrie eine Leistungsfähigkeit erreicht, so dass auch maßgeblich die Transport- und Umschlagstechnik einen starken Entwicklungsschub erhalten konnte. Im Elektromaschinen- und Schaltanlagenbau standen technische Lösungen und Geräteausführungen zur Verfügung, die zahlreiche Anforderungen erfüllen konnten. So konnten durch die Firma Bleichert Anlagen weltweit in alle Klimabereiche, also in Kältegebiete, wie z. B. auf Spitzbergen oder den Kordilleren, sowie in tropische oder maritime Klimagebiete, wie z. B. auf Neukaledonien mit Erfolg geliefert werden. Diese Erfahrungen und Traditionen setzten sich im Nachfolgeunternehmen, dem VTA- Leipzig, mit Lieferungen nach Sibirien (z. B. Archangelsk, Ust Kut an der Lena) oder Wüstenregionen (z. B. Tunesien, Ägypten) fort.

Objektbeschreibung: 

Ehemaliges Firmengelände, erbaut in den Jahren von 1881 bis 1911 mit ca. 20 Gebäuden und Werkhallen, für die Fertigung von Erzeugnissen für die Transport–, Lager- und Umschlagtechnik, ab 1957 ausschließlich von Flurförderzeugen mit Büros, Lager- und Fertigungsstätten, geprägt von der Architektur des 19. und Anfang de 20. Jahrhunderts und den technisch-technologischen Erfordernissen eines großen Industrieunternehmens.

Architekten, wie Max Bösenberg, Richard Welz, die Büros Pfeifer und Händel sowie Händel und Franke haben ein überwiegend denkmalgeschütztes Areal geschaffen. Nach 1990 gab es wenig Hoffnung, diesen Wert für die Stadt Leipzig zu erhalten. 2016 jedoch wurden die ersten Baugerüste auf dem Gelände sichtbar. Ein Investor, die CG- Gruppe, begann mit der denkmalgerechten Sanierung dieses einzigartigen Industriedenkmals. Das Konzept „Umbau von Werkhallen zu Wohnungen“ sollte Erfolg haben.

Quellen / Literatur:

  • Gohliser Hefte 8: Manfred Hötzel und Stefan W. Krieg (Hrsg.), „Adolf Bleichert und sein Werk; Sax-Verlag 2012.
  • Leipziger Industriekultur, VTA, vorm. Bleichert, Werk II (Eutritzsch)
  • Bürgerverein (Leipzig) Gohlis e. V., Veröffentlichungen im Gohlis Forum zu Bleichert/VTA Leipzig

Links:

Autor/in: Dieter Bittermann, Dr. Manfred Hötzel, Werner Weidner – Sächsisches Wirtschaftsarchiv

Datum: 18.11.2017/19.02.2018

Abbildung:




Adolf Bleichert

Adolf Bleichert Kurzbiografie

Adolf Bleichert wurde am 31. Mai 1845 in Dessau als Sohn des Mühlenpächters August Bleichert geboren. Die Familie zog 1856 nach Gohlis bei Leipzig, nachdem der Vater auch die dortige Mühle gepachtet hat.
In den 1860er-Jahren studierte er an der Königlichen Gewerbeschule Berlin (Polytechnikum), einer Vorläuferin der heutigen Technischen Universität Berlin Maschinenbau, Abschluss als Zivilingenieur.
1870: Adolf Bleichert begann als Ingenieur in der Firma Martin, Maschinenfabrik Bitterfeld.
1872: Adolf Bleichert wechselte zur neugegründeten Halle-Leipziger Maschinenbaufabrik und Eisengießerei A.-G. Schkeuditz. Er war technischer Dirigent, dann Ober-Ingenieur. Mit seinem Studienfreund Theodor Otto entwickelte er die erste Draht(seil)bahn.
1873: Die erste Drahtseilbahn Bleicherts und Ottos – und weltweit – wurde für die Solaröl- und Paraffinfabrik Teutschenthal bei Halle errichtet. Die Anlage war 1874 vollendet und blieb 40 Jahre in Betrieb.
1874: Ziegeleibesitzer Eduard Brandt, Gohlis bei Leipzig, stellte Bleichert Gelände zur Verfügung, auf dem dieser eine Versuchsbahn anlegte, um seine konstruktiven Ideen praktisch zu erproben, u. a. die Benutzung von Drahtseilen anstelle von Rundeisen als Laufbahn, was sich als bahnbrechend erwies.
1874: am 1. Juli eröffneten Adolf Bleichert und Theodor Otto in Schkeuditz bei Leipzig ein Ingenieurbüro Bleichert & Otto, mit dem sie im gleichen Jahr nach Leipzig umzogen.
1875: Erster Großauftrag durch die Fa. Krupp, womit die eigene Profuktion in Neuschönefeld bei Leipzig folgte.
1875: A. Bleichert konstruierte die Exzenter-Kupplung zum An- und Abkoppeln der Seilbahnwagen am Zugseil.
1876: Die geschäftlichen Wege Bleicherts und Ottos trennten sich. Bleichert tat sich mit seinem Schwager Peter Heinrich Piel zusammen und firmierte als Adolf Bleichert & Co.
1881: Mit dem Umzug nach Gohlis, Feldstraße, wird die Firma in eine offene Handelsgesellschaft (OHG) umgewandelt und in das Handelsregister beim Amtsgericht Leipzig neu eingetragen, die Firma verbleibt an diesem Ort. Adolf Bleichert & Co. wurde zum größten Hersteller von Drahtseilbahnen der Welt.
1889: Wegen der stark angewachsenen Geschäftstätigkeit, die er allein nicht mehr bewältigen konnte, setzte A. Bleichert vier neue Prokuristen ein, u a. die Ingenieure und späteren Direktoren Rudolf Pfaffenbach und Karl Streitzig.
1893: A. Bleichert reiste in die USA, u. a. zum Besuch der Weltausstellung in Chicago.
1894: Adolf Bleichert errichtete sein Testament, wichtige Bestimmungen: die Firma soll als Familienbetrieb fortgeführt werden, die Söhne Max und Paul werden als technische bzw. kaufmännische Leiter bestimmt.
1897: Vergrößerung des Werkes in Gohlis und Bau eines neuen Bürogebäudes, die Firma beschäftigte 200 Arbeiter.
1899: Zum 25-jährigen Jubiläum wurde die 1000. Drahtseilbahn gefertigt für den Erztransport auf Thio/Neukaledonien (Pazifik). Die Eheleute Hildegard und Adolf Bleichert unterstützten eine Stiftung für arme Gemeindemitglieder mit 25.000 Goldmark. Adolf Bleichert erkrankte an Tuberkulose, seit Frühjahr 1900 hielt er sich mehrmals zu längeren Kuren in Davos (Schweiz) auf, ohne Erfolg.
1901: Bleichert und seine Frau gründeten eine Stiftung zum Wohle kränklicher Mädchen in noch nicht konfirmiertem Alter. Am 29. Juli starb Adolf Bleichert in einem Sanatorium in Davos, nur kurz nach dem Tod seiner geliebten, 15-jährigen Tochter.
1908: Errichtung eines Adolf-Bleichert-Denkmals auf dem Firmengelände, 1950 wurde es beseitigt.
1919/22: Erweiterung des Unternehmens durch ein Zweigwerk im Leipziger Stadtteil Eutritzsch.

  • Ehemaliges Werksgelände (siehe Link) im Stadtteil Gohlis, Lützowstraße 34, 04157 Leipzig.
  • Heinrich-Budde-Haus (siehe Link Villa-Gohlis), Lützowstraße 19, 04157 Leipzig, erbaut 1890/91 als Wohnhaus „Villa Hilda“ für die Familie Adolf Bleicherts, heute soziokulturelles Zentrum im Leipziger Stadtteil Gohlis.
  • Familiengrab Bleichert-Piel auf dem Friedhof Gohlis, südlicher Teil, Kapellenfriedhof mit Gedenktafel (Kupfer) und Text

„Im Gedenken an Adolf Bleichert 1845-1901, dem Erfinder des Deutschen Drahtseilbahnsystems“:

  • Straßenname „Bleichertstraße“ in Leipzig-Gohlis
  • Kleingartenverein Seilbahn e. V. in Leipzig-Gohlis, Max-Liebermann-Straße 91-93, 04157 Leipzig, gegründet 1917 als Gartenkolonie Seilbahn von der Firma Bleichert Adolf Bleichert & Co. und von ihr geleitet, 1932 Trennung von der Firma; seit 1989 anerkanntes Naherholungsgebiet der Stadt Leipzig.

Bedeutung der Firma Adolf Bleichert & Co. Leipzig

Seit 1881 in Gohlis ansässig, entwickelte sich das Unternehmen in wenigen Jahrzehnten zur bedeutendsten Firma für den Bau von Drahtseilbahnen. Sie nannte sich nach 1900 selbstbewußt „Größte und älteste Drahtseilbahnfabrik der Welt“ und ihren Gründer Adolf Bleichert „Begründer des deutschen Drahtseilbahnbaues“ und „Erfinder des deutschen oder Bleichertschen Drahtseilbahnsystems“.
Die Drahtseilbahn als Lastenseilbahn war vom letzten Viertel des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg neben der Eisenbahn und vor der Erfindung von Auto und Flugzeug das wichtigste Transportmittel für die Massenbeförderung von Rohstoffen in Bergbau, Hüttenwesen, Kraftwerken, Bauwesen, Maschinenbau usw., auch in der Landwirtschaft. Die Drahtseilbahnen der Firma Bleichert waren weltweit verbreitet. Bis zum Ersten Weltkrieg wurden hinsichtlich Länge, Leistungsfähigkeit, Steigungsgrad, geografischer Verbreitung beim Bau von Lastenseilbahnen technische Höchstleistungen vollbracht, siehe die sog. Bleichertschen Rekordbahnen in Chilecito (Argentinien), Flamanville (Frankreich), Usambara (Deutsch-Ostafrika, heute Tansania), Thio (Neukaledonien) und auf Spitzbergen. Insgesamt hat die Firma Bleichert über 4000 Drahtseilbahnen hergestellt. Die Erfolge beim Bau von Drahtseilbahnen beruhten technisch auf ständiger Vervollkommnung des Systems und wirtschaftlich auf Rationalisierung in der Herstellung.
Nach 1900 wurde außerdem das Produktionsprogramm um weitere Transportanlagen ständig erweitert: Elektrohängebahnen, Elektrokarren „Eidechse“, Kabelkrane, Kabelbagger, Kesselbekohlungsanlagen, Kugelschaufler u. a.. Im 20. Jahrhundert hat die Drahtseilbahn als Personenseilbahn eine überragende Bedeutung als Transportmittel für den Massentourismus vor allem bei der Erschließung alpiner Skigebiete gespielt. Bis zum Zweiten Weltkrieg war die Firma Bleichert auf der Grundlage des Systems Bleichert-Zuegg führend beim Bau von Personenseilbahnen. Von ca. 100 Bahnen wurden 37 von Bleichert gebaut (davon in Deutschland 6, Österreich 10, Frankreich 7, Schweiz 3, Italien 4, Polen und Spanien je 2 ,USA sowie Norwegen und Südafrika je 1). Von diesen Bahnen laufen bis heute z. gr. T. noch mit Originalausrüstung: Burgbergbahn Bad Harzburg (ca. 1970 Kabinenwechsel), Predigtstuhlbahn Bad Reichenhall, Miramar-Bahn im Hafen von Barcelona, Montserrat-Bahn bei Barcelona. Die restlichen Anlagen von 25 verschiedenen Firmen.
Der Anteil der Firma an der Kriegsproduktion (Feldseilbahnen im 1. WK, und Granaten) während der beiden Weltkriege war hoch und ist kritisch zu bewerten. In der Weltwirtschaftskrise nach 1929 geriet die Firma 1931 in die Insolvenz. Die unter dem Einfluss von Felten & Guilleaume Carlswerk AG Köln 1932 erfolgte Neugründung als Bleichert-Transportanlagen GmbH bei gleichzeitigem Ausschluss der Familie Bleichert erwies sich als erfolgreich. In den Jahren als SAG Bleichert (1946-1953 Sowjetische Aktien-Gesellschaft) wurden umfangreiche Reparationsleistungen für die UdSSR erbracht. Es wurden die Kriegsschäden in den Werksteilen Gohlis und Eutritzsch beseitigt und in Eutritzsch neue Werkhallen errichtet. Die Belegschaft erreichte einen Höchststand von 6600 Beschäftigten. Die Herstellung neuer Produkte wurde aufgenommen: Autokrane, Kabelkrane, u. a. für die Werften in Warnemünde und Wismar, sowie die Elektro-Grubenlok „Karlik“.
In der Zeit als VEB Verlade und Transportanlagen Leipzig, Kurzform VTA (1954-1990) gehörte VTA zu den größten Betrieben des Schwermaschinenbaus in der DDR. VTA war wichtiger Lieferant für die RGW-Länder, verkaufte aber auch in das westliche Ausland. Hauptprodukte waren vor allem Gabelstapler, große Bandanlagen für den Braunkohle-Tagebau sowie Containerkrane für den Hafenumschlag. Ab 1985 war VTA Stammbetrieb des Schwermaschinenbaukombinates TAKRAF (=Tagebauanlagen, Krane, Förderanlagen). Mit dem Übergang vom 19. in das 20. Jahrhundert hatte die elektrotechnische Industrie eine Leistungsfähigkeit erreicht, so dass auch maßgeblich die Transport- und Umschlagstechnik einen starken Entwicklungsschub erhalten konnte. Im Elektromaschinen- und Schaltanlagenbau standen technische Lösungen und Geräteausführungen zur Verfügung, die zahlreiche Anforderungen erfüllen konnten. So konnten durch die Firma Bleichert Anlagen weltweit in alle Klimabereiche, also in Kältegebiete, wie z. B. auf Spitzbergen oder den Kordilleren, sowie in tropische oder maritime Klimagebiete, wie z. B. auf Neukaledonien mit Erfolg geliefert werden. Diese Erfahrungen und Traditionen setzten sich im Nachfolgeunternehmen, dem VTA  Leipzig, mit Lieferungen nach Sibirien (z. B. Archangelsk, Ust Kut an der Lena) oder Wüstenregionen (z. B. Tunesien, Ägypten) fort. Durch intensive und kooperative Zusammenarbeit mit der Industrie/Elektroindustrie (Siemens, AEG, BBC, ABB, ASEA DDR-E-Industrie: z.B. EAB- und EAW-Berlin, SAB-Halle/Leipzig/Cottbus/Dresden, VEM, Trafo- und Kabelwerke, u.a.) und der Wissenschaft direkt oder in Fachgremien in der Zeit der Firma Bleichert oder später in der DDR (hier z. B. die KdT, TU Dresden – Die Gründung des FUA- „Seilbahnen, Flurförderzeuge“, „Elektrik auf Kranen“, evtl. auch Standardisierung ist wesentlich auf Prof. Dr. M. Scheffler (ehem. Haupttechnologe bei VTA) zurückzuführen) ergaben sich Wechselbeziehung im Sinne einer fortschrittlichen Entwicklung der Produkte.
1990 zunächst zu einer GmbH umgebildet, wurde VTA nach der Herstellung der deutschen Einheit 1991 geschlossen und dann liquidiert. Protestaktionen des Betriebsrates und der Belegschaft (Besetzung des Betriebsteiles Eutritzsch und Demonstration der Belegschaft zum Leipziger Markt mit dem neu entwickelten Gabelstapler Typ DFG 3002/2 N im Frühjahr 1991) konnten das Ende von VTA nicht verhindern. Damit endete nach 110 Jahren die Tradition des Transportanlagenbaus am Stammsitz Leipzig-Gohlis und im Betriebsteil Leipzig-Eutritzsch.

Bekannte von VTA hergestellte Produkte in der Stadt Leipzig:

  • Montage der Glocken im Glockenturm der Nikolaikirche
  • Montage des Symbols der Leipziger Messe „MM“ auf dem Wohnhochhaus Wintergartenstraße gegenüber dem Hauptbahnhof
  • Fußgängerbrücke (ehemals „Blaues Wunder“) Hast „Goerdeler Ring / Tröndlinring, heute gegenüber der „Höfe am Brühl“
  • Eisenbahnbrücke in Großzschocher (heute am Lockschuppen „Freunde der Eisenbahn“)

Quellen / Literatur / Links:

Autor/in: Bittermann, Dieter; Dr. Hötzel, Manfred; Weidner, Werner; Töpfer, Kathrin

Datum: 14.11.2017 / 19.02.2018 / 24.01.2022

Abbildung:




Fahrzeugbau Stoye

Titel des Objekts: Fahrzeugbau Stoye Leipzig

Adresse: Lindenthaler Str. 61-65

Stadtteil: Gohlis

Industriezweig/Branche/Kategorie: Fahrzeugbau

Kurzcharakteristik: 1944-1990 letzter von drei Firmenstandorten in Leipzig

Datierung: 1925 und 1944 -1990

Objektgröße: Grundstück ca. 10.000 m², Geschoßfläche von Produktion und Verwaltung ca. 4.500 m²

Ursprüngliche Nutzung: Produktionsstandort von Motorradseitenwagen, Pkw- und Motorradanhängern, Motorradersatzteilen

Heutige Nutzung: Autohaus, Werkstätten für Kfz-Dienstleistung, Museum

Bau- und Firmengeschichte:
In einer von ihm zuvor gegründeten mechanischen Werkstatt zur Reparatur von Maschinen und Fahrzeugen aller Art begann Walter STOYE 1925, zunächst auf Kundenwunsch, mit der Reparatur und dem Umbau/Verbesserung von Seitenwagen die durch Kunden bei ihm angeliefert wurden. Aus diesen Erfahrungen entstanden schnell die ersten eigenen Seitenwagen die zunächst auch nach Kundenwunsch hergestellt wurden. Zu dieser Zeit begann auch die enge Zusammenarbeit mit J. Mittenzwei, der die Firma zunehmend nach außen vertrat. Bei Motorradfirmen, Vereinen und zu Sportveranstaltungen an denen er selbst mit seiner Frau im Beiwagen erfolgreich teilnahm, warb Mittenzwei für STOYE-Seitenwagen und brachte von dort ständig neue Erkenntnisse und Anforderungen mit.

Stoye war ein sehr einfallsreicher Konstrukteur (von 1928 bis 1965 ca. 15 Patente und Gebrauchsmuster die teilweise noch heute verwendet werden), aber auch ein geschickter Mechaniker. Er setzte neue Erkenntnisse sehr schnell in seinen Seitenwagenkonstruktionen um und hat so stets technisch fortschrittliche, aber gleichzeitig auch qualitativ hochwertige Seitenwagen gebaut . Ende der Zwanziger und vor allem in den Dreißiger Jahren konnten dadurch wiederum von Mittenzwei und zunehmend von den mit Seitenwagen belieferten großen deutschen Motorradherstellern und deren Werkssportfahrern mit STOYE-Gespannen viele internationale Wettbewerbe (z. B. Internationale 6-Tagefahrten 1933 bis 1937, u.v.a.) gewonnen werden. Aus diesen erfolgreichen Konstruktionen wurden insgesamt ca. 300 verschiedene Seitenwagenmodelle, aber auch Anhänger für Pkw und Motorradgespanne oder -roller (Campi) entwickelt bzw. hergestellt. Mehrere andere Seitenwagenhersteller fertigten mit oder teilweise auch ohne offizielle Zustimmung von STOYE nach dessen Konstruktionen eigene Seitenwagen in Lizenz.

Nach der völligen Zerstörung der Firmengebäude am Dösener Weg am 4.12.1943 erfolgte ab 1944 der Umzug in die Lindenthaler Str. in Gohlis. Die auch hier stark beschädigten Gebäude wurden wieder aufgebaut und die Produktion mit aus den Ruinen am Dösener Weg geborgenen Teilen und damit Seitenwagen aus dem Vorkriegsprogramm langsam wieder aufgenommen.

Durch einen von Paul Greifzu vermittelten Kontakt zum sowjetischen Generaldirektor der SAG AWTOWELO in Suhl bekam die Fa. STOYE die Gelegenheit, für die neuentwickelte AWO 425 den Seitenwagen für ein neues Gespann vorzustellen. Das ebenfalls neuentwickelte Modell „SM“ fand die Zustimmung des Generaldirektors Gawrilow. Damit begann in Gohlis wieder in großen Stückzahlen die Seitenwagenfertigung, zunächst für AWTOWELO/SIMSON, indirekt EMW, später auch MZ. Stoye entwickelte weitere Modelle, z. B. den weltweit ersten speziell für die damals neuen Langschwingenfahrwerke der SIMSON- SPORT und MZ ES konstruierten „ELASTIK“, später weiterentwickelt zum „SUPERELASTIK“ und auch nach der Enteignung Stoyes 1972 bis zur Einstellung der Seitenwagenfertigung 1990 fast unverändert produziert.

Insgesamt wurden allein zwischen 1950 und 1990 ca. 150.000 Seitenwagen, ab 1962 mit beginnender Verstaatlichung auch Ersatzteile und Baugruppen für MZ-Motorräder, am Standort Gohlis hergestellt. Seit 1972 als „WERK IV“ von MZ. STOYE war damit – neben Watsonian in England – der am längsten produzierende Seitenwagenhersteller der Welt.

Seit Frühjahr 2011 wurde in den Originalräumen und dem am gleichen Standort befindlichen AUTOFORUM begonnen, ein kleines Museum einzurichten. Einige Seitenwagenmodelle von 1928 bis 1990 sind bereits als Originale zu sehen, dazu vieles andere aus der Firmengeschichte.

Objektbeschreibung:
Eine erste Bebauung des Standorts erfolgte Ende des 19. Jahrhunderts.
Die heute noch stehenden, teilweise einstöckigen Produktionsgebäude wurden ca. 1902 errichtet, nach Bombenschäden wieder aufgebaut und mit Errichtung des Autohauses 1993 teilweise umgebaut und in die Neubebauung integriert.

Quellen/Literatur/Links:
– Archiv Fahrzeugbau Stoye Leipzig/Museum www.StoyeLeipzig.de

Autor/in: Claus Hüne

Datum: 12.03.2015

Abbildungen:
– C. Uhlmann, Gespanntreffen 2015
– J. Sommerfeld, Messestand 2015
– Archiv Fahrzeugbau Stoye