Museum für Druckkunst

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Titel des Objekts: Museum für Druckkunst Leipzig

Adresse: Nonnenstraße 38

Stadtteil: 04229 Leipzig-Plagwitz

Industriezweig/Branche/Kategorie: Polygraphisches Gewerbe

Kurzcharakteristik: Museum zum „Anfassen“ in einem ehemaligen Druckereigebäude

Datierung: 1915-17 Errichtung der Gebäudefront zur Nonnenstraße, Umgestaltung der Fassadenfront in den Jahren 1922-23 mit Art Déco-Elementen. Die den viereckigen Hof begrenzenden Fabrikteile sind älter und wurden ca. 1908 errichtet.

Objektgröße: ca. 4000m²

Ursprüngliche Nutzung: Um 1876 begann eine Firma für Strickmaschinen mit der Produktion auf dem Gelände. Eigentümer war der Kaufmann Gustav Ludwig Oehmler. Die ersten baulichen Anlagen des Grundstückes befanden sich im heute hinteren Bereich des Hofes in Richtung Gleisstraße. 1908 erfolgt die Übernahme durch Theodor Wilhelm Weickart und die Umgestaltung zur heute vorhandenen vier Flügel umfassenden Fabrikanlage. Hergestellt wurden nun Brenner für Gas- und Petroleum. Eine Erweiterung der Lampenfabrik erfolgte in den Jahren 1915-17 mit einem Neubau der Front an der Nonnenstaße. Im Gegensatz zum Vorgängerbau (zwei Etagen) verfügt das neue Gebäude nun über eine Ebene mehr. Durch fortschreitende Nutzung der elektrischen Beleuchtung verließ die Fabrik für Gas- und Petroleumbrenner das Areal. Ab dem 8.September 1921 war die Leipziger Reisebuchhandlung Dr. Karl Meyer GmbH neuer Nutzer der Gebäude. Das Unternehmen wurde bereits 1919 gegründet und verlegte seinen Firmensitz 1922 in die Nonnenstraße 38. Am neuen Standort arbeiteten bis zu 350 Angestellte in verschiedenen Bereichen wie Druckerei und Buchbinderei. Ebenso wurden Gegenstände des Kunsthandels vor Ort gefertigt. Der Buch- und Kunstverlag wuchs. So entstanden 1922 die beiden Fahrstuhltürme und erleichterten Transport und Fertigung. Hergestellt wurden diese vom bekannten Plagwitzer Unternehmen Unruh und Liebig. Das erfolgreiche Unternehmen wollte sich auch nach außen repräsentieren. Es beauftragte den Architekten Edgar Röhrig in den Jahren 1922/23 mit der Umgestaltung der Fassade zur Nonnenstraße im Stil des Art Déco. Seinen Namen und die Jahreszahlen der Arbeit trägt eine noch heute vorhandene Relief-Palette im Putz rechts neben dem Eingang. Ebenso wurden die Räume des Vorderhauses mit in den Umbau einbezogen. Entstanden ist eine dezente Fassade im damaligen Zeitgeist, die ihresgleichen im Stadtbild sucht. Den Zweiten Weltkrieg überstand das Haus ohne Schäden und die Firma Dr. Karl Mayer konnte weiter produzieren. Jedoch ging die Verstaatlichungswelle nicht an dem Privatunternehmen vorüber. Zu Beginn des Jahres 1953 erfolgte die Zwangsverstaatlichung. Als Teil des VEB Offizin Haag Drugulin kam es 1954 zur erneuten Änderung des Firmennamens: Im Verbund mit anderen Druckereien ging das Unternehmen im VEB Offizin Anderson Nexö auf. Die Produktion lief auf Hochtouren bis in die Zeit um 1990/1991. Nach dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbruch fehlten die Absatzmärkte. Die Anlagen waren veraltet. Nach einer Phase der Ungewissheit kam es 1994 zur Gründung des Museums. Der Verleger Herr Ekkehart Schumacher Gebler war Initiator und treibende Kraft. Ihm hat Leipzig dieses einmalige Museum zu verdanken. Es folgte ein etappenweiser Umbau, der den Charakter des Hauses erhalten hat. Im Jahr 1999 konnte die unter Denkmalschutz stehende Fassade zur Nonnenstraße nach der Sanierung neu erstrahlen.

Heutige Nutzung: Hervorragend restauriert kann man hier an einem authentischen Ort die Entwicklung der für Leipzig prägenden Branche erleben. War in diesem Haus die sogenannte Schwarze Kunst doch schon seit Jahrzehnten ansässig und ist es bis heute geblieben. Beim Eintreten riecht man schon bald den typischen Geruch von Druckerschwärze und Öl. An Wochenenden oder anderen Terminen kann man die Technik in Betrieb erleben, Blei wird geschmolzen und in Form für Buchstaben oder Noten gebracht. Anschaulich und verständlich erlebt man hier die Prozesse Gießen, Setzen sowie Drucken in Werkstattatmosphäre. Besucher können auch Handabzüge selbst erstellen und die Werkstatt wird rege von Künsteln genutzt. Hier kann man alles über die verschiedensten Techniken der Polygraphie erfahren. Das Herzstück der Sammlung ist die Schriftgießerei, sie bildet mit ihren mehren tausend Schriftarten eine in Europa einmalige Vielfalt und den Ausgangspunkt zu Drucken aller Art und Größe. Früher wurden die Bleibuchstaben noch von Hand gegossen und der Schriftsetzer erstellte die Texte daraus ebenfalls per Hand. Später gab es bereits Maschinen, wie die Monotype aus England. So konnte Satz zum Drucken per Lochstreifen von der Maschine gelesen und gegossen werden. Ein großer Fortschritt und für Jahrzehnte der Standard in der Bleisatzherstellung. Einige dieser fantastischen Maschinen sind noch heute bei Firmen aktiv. Eine umfangreiche Palette von ca. 100 funktionstüchtigen Maschinen zeigt das Haus zu den Herstellungsschritten Guss-, Satz- und Drucktechnik. Diese wurden in verschiedenen Zeitepochen entwickelt und eingesetzt. Viele Bauarten und Techniken vermitteln einen Einblick in die facettenreiche Branche und den Erfindergeist der Menschen. Ziel war stets die Produktion effizienter und billiger zu gestalten. Alles Wissen der Menschheit war früher im Medium Buch zu finden und „gespeichert“. Die Herstellung von Büchern hat sich seit Gutenberg in den folgenden fünf Jahrhunderten gewaltig verändert. Aus Handsatz wurde Computersatz. Das Exponat einer Offsetdruckmaschine aus dem Jahr 1978 schafft den Übergang zu neuerer Drucktechnik. All die Zwischenschritte werden hier im Haus den Besuchern gezeigt als auch von fachkundigen Personal erklärt. Tiefdruck in Verbindung mit Kupferstich sowie Lithographie wird in dem einmaligen Museum gleichfalls repräsentiert. Diese Techniken wurden früher oft für Illustrationen und Bilder verwendet. Eine Besonderheit war damals auch der Notendruck. Gern nehmen Künstler die Möglichkeit wahr, sich den alten Herstellungstechniken zu bedienen und schaffen dabei außerordentliche Werke. 2008 konnte das Museum um eine Xylographie-Werkstatt erweitert werden. Hier kann man alles über den Holzstich erfahren.

Eine besondere Rarität ist die Lichtdruckwerkstatt. Diese geniale Technik ist voll funktionstüchtig und nutzbar. Sie ist in der Welt fast einmalig und nur hier zu bestaunen. Eine zweite Lichtdruckmöglichkeit befindet sich nur noch in Japan. Ebenso gibt es Angebote für Kinder und Familien. Sonderausstellungen sowie spezielle Führungen und Tagungsmöglichkeiten runden das Profil des Hauses ab. Ein neu gestalteter Innenhof lädt die Besucher zum Verweilen ein. Im Museumsshop findet man Drucksachen, die im Haus gefertigt wurden, Karten für Einladungen u. ä. oder Bleibuchstaben zur Verwendung als Stempel und vieles mehr. Ein Ort wirklicher Industriekultur in Verbindung mit der Polygraphie, den man nicht zur einmal besucht haben sollte!

Objektbeschreibung: Das historische Ensemble verfügt über eine in Leipzig seltene Art Déco-Fassade zur Nonnenstraße, die in den letzten Jahren umfassend saniert wurde. Der Eingangsbereich liegt nicht symmetrisch zur Mittelachse des Hauses. Ein Dreiecksgiebel betont die obere Etage. Den rechteckigen Hof begrenzen Klinkerbauten. Verwendet wurden dort rote Klinker und gelbe Steine als Fensterbögen. Sie zeigen Industriearchitektur der Jahre um den Ersten Weltkrieg. Im authentischen Flair kann der Besucher hier in die Geschichte des polygraphischen Gewerbes erleben. In dieser Branche haben über Jahrzehnte Leipziger Familien Arbeit gefunden. Eine Besonderheit bilden auch die noch vorhandenen Fahrstühle von 1922. Der Aufzug im öffentlichen Treppenhaus des Museums verfügt über einen außergewöhnlichen Brems-Mechanismus, den es in Leipzig nur noch an einer weiteren Stelle gibt. Neben dem eigentlichen Museum gibt es noch Räume für Sonderausstellungen, Büros und Werkstätten sowie einen Saal für Tagungen. Leipzig, als DIE ehemalige Buchstadt Europas und der Welt hat damit ein einzigartiges Museum zur Polygraphie an einem authentischen Ort, welches zeigt, dass Drucken eine Kunst ist!

Quellen/Literatur/Links:

Museum für Druckkunst Leipzig, Öffentlichkeitsarbeit Frau Hartmann

http://www.druckkunst-museum.de/home_de.html

Autor: M. Mann

Datum: 25.10.2016

Abbildungen:

1-5 Museum für Druckkunst Leipzig, Öffentlichkeitsarbeit Frau Hartmann (M. Mann )

Restliche Aufnahmen: M. Mann 02.09.2016 und 11.09.2016